Luftbilder zeigen das Farbenspiel der Siliziumgewinnung, tausende Stoßzähne getöteter Elefanten stehen in Flammen, eine Koralle erbleicht im
Zeitraffer: Heute gestaltet der Mensch mehr als irgendein anderer Einflussfaktor die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse des Planeten Erde. So lautet die These der Forscher und Forscherinnen der interdisziplinären Anthropocene Working Group, die seit 2009 dazu Datensätze auswertet und ein neues Erdzeitalter ausruft: das Anthropozän. Doch welche Folgen haben diese rasanten Eingriffe für die entstandenen Ökosysteme? Und mit welchem Selbstverständnis verändern die Menschen die Erde auf fundamentale Weise? Diesen Fragen gehen die Film- und Medienschaffenden Jennifer Baichwal, Nicholas de Pencier und Edward Burtynsky in ihrem Dokumentarfilm
Die Epoche des Menschen nach.
Dazu bereisen sie sechs der sieben Kontinente, filmen über 200 Stunden Material und
montieren in 10 Monaten eine bildmächtige Weltreise, die das Ausmaß menschlicher Eingriffe in die Natur mit zahlreichen
Luftaufnahmen eindringlich visualisiert. Die Bilder beispielsweise des weltweit größten Tagebaubaggers in Nordrhein-Westfalen oder der russischen Industriestadt Norilsk faszinieren und bedrücken gleichermaßen. Die
Musikuntermalung und das
Soundesign unterstreichen die epochale Größenordnung des Gezeigten und sind auf starke Effekte hin konzipiert. Es kommen aber auch die Menschen zu Wort, die vom Abbau natürlicher Ressourcen leben und sich ganz unterschiedlich zur Umweltzerstörung in Folge ihrer Arbeit positionieren. Der Off-Erzähler – in der deutschen Fassung spricht der Schauspieler Hannes Jaenicke – kontextualisiert das Gezeigte mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, die die fatalen Folgen für Natur und Mensch kurz und bündig problematisieren.
Inserts von Fachbegriffen wie Terraforming, Technofossilen und Massenausstreben teilen den Film dabei in unterschiedliche Kapitel ein und werden verständlich definiert.
Die Epoche des Menschen, Trailer (© Happy Entertainment)
Im Geografieunterricht kann
Die Epoche des Menschen Ausgangspunkt für die Beschäftigung mit der Erdgeschichte und Messverfahren der Geochronologie sein. Zudem können Begriffe wie Technofossilen und Terraforming vertiefend behandelt werden. Insbesondere zu letzterem Begriff lässt sich Nicholas Geyrhalters Film
Erde aus dem Jahr 2019 vergleichend heranziehen. Wie unterscheidet sich die
Inszenierung der beiden Dokumentarfilme? Das Sounddesign, der Einsatz von Musik und die Verwendung des Off-Kommentars heben sich besonders deutlich voneinander ab und regen eine fächerübergreifende Analyse der filmästhetischen Mittel an: Welchen Effekt haben die aufwändigen Luftaufnahmen, schwebende
Kamerafahrten und Zoom-outs? Die sozialen und geostrategischen Hintergründe zu einer der größten Mülldeponien der Welt in Dandora (Kenia) lassen sich hingegen im Politikunterricht recherchieren. Warum landet Müll aus den Ländern der nördlichen Hemisphäre, auch aus Deutschland, auf dieser Halde? Unter welchen Bedingungen arbeiten dort rund 6.000 Müllsammler/-innen? Im Biologieunterricht ist der Film ein Ausgangspunkt, um das Ausmaß des menschengemachten Klimawandels und des Artensterbens sowie die Zusammenhänge des planetaren Ökosystems zu thematisieren. Vertiefend bietet die Website "Antropocence Project" fundierte Hintergründe und anregende Materialien on- und offline.
Autor/in: Karl-Leontin Beger, 10.09.2020
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