Das Dorf ist klein, die Straßen sind staubig und die Sonne brennt. Azad und Nazenin sind ungeachtet der äußeren Umstände ineinander verliebt. Die Vermählung des kurdischen Paares gerät aus den Fugen, als das türkische Militär die Hochzeitsgesellschaft provoziert. Es fallen Schüsse und aus dem unbescholtenen Azad wird von einem Moment auf den anderen ein Terrorist und Flüchtling. Für Azad beginnt eine Odyssee, die ihn durch Kurdistan führt, von den in der Türkei gelegenen Gebieten über die im Irak gelegene autonome Region bis in den Iran. Auf seinem Weg trifft er andere Kurden, Flüchtlinge und Sesshafte, Opfer und Kämpfende, Leidensgenossen/innen ohne Ausnahme.
Der im Irak geborene Regisseur Hiner Saleem flüchtete seinerzeit über Syrien bis nach Italien und lebt heute in Paris. Seinen Film
Dol konnte der kurdische Filmemacher in seiner alten Heimat Irak drehen, aber nicht – zumindest nicht offiziell – in der Türkei und im Iran. Seine Protagonisten/innen irren durch scheinbar endlos weite Landschaften, in deren wilder Anmut die Kamera sich sehnsuchtsvoll verliert. Die Figuren des Films werden von Saleem in diese Szenarien wie in einem Gemälde platziert. Starr und steif stehen sie da und referieren fast emotionslos ihre Dialoge, ohne Regungen auf den Gesichtern, mit nur minimaler Interaktion zwischen den Darstellern/innen. Jede dieser Figuren präsentiert ein exemplarisches Einzelschicksal, in der Zusammenschau bilden sie ein fast schon didaktisch ausgewogenes Kaleidoskop der ungelösten Probleme des kurdischen Volkes, das ohne eigenen Staat zwischen drei fremden Staaten zerrissen ist. Mit dieser nahezu avantgardistischen Umsetzung findet das Leiden des kurdischen Volkes eine filmisch-formale Entsprechung, auch wenn die Strenge der Inszenierung bisweilen übertrieben wirkt. Der Film eignet sich dennoch als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit der Kurdenproblematik, denn er veranschaulicht, wie leicht man allein durch die ethnische Zugehörigkeit in einen solchen Konflikt hineingezogen werden kann. Allerdings ist die Grundhaltung des Films so eindeutig kurdisch und bleibt auch unhinterfragt, dass eine ergänzende Auseinandersetzung mit zusätzlichen Materialen und Hintergrundinformationen unerlässlich wird.
Autor/in: Thomas Winkler, 23.04.2007