Anfang der 1950er-Jahre zieht der 19-jährige Marcus Messner von New Jersey in die Kleinstadt Winesburg in Ohio. Hier tritt der hochbegabte Metzgersohn dank Stipendium ein Jurastudium an, das ihn vor dem Militärdienst im Koreakrieg bewahrt. Seine jüdischen Eltern stehen der Zukunft ihres Sohns gespalten gegenüber: Während die Mutter ihm eine steile Karriere zutraut, sorgt sich der Vater, dass er den Studienplatz verlieren könnte. Tatsächlich eckt der Atheist Marcus beim frommen Dekan Dean Caudwell an, der den Studenten mindestens fünfzig Teilnahmen an der wöchentlichen Predigt vorschreibt, damit sie eine Zulassung zum Examen erhalten. Ein Grund des Anstoßes ist die freizügige Olivia Hutton, eine Kommilitonin, die in Marcus ein folgenschweres moralisches Dilemma auslöst.
Seine Herkunft als Produzent und
Drehbuchautor ist dem Regiedebüt von James Schamus durchaus anzumerken. Die präzise entwickelte
Adaption des 2008 publizierten Romans "Empörung" von Philip Roth lebt insbesondere von der glasklaren Erzählstruktur. Die messerscharfen Dialoge, darunter ein 20-minütiges Rededuell zwischen Marcus und Dekan Caudwell, rücken viel eher in den Fokus als die konventionelle Inszenierung mit übersichtlichen Bildern und einer klassischen
Montage. Das detailverliebte Produktionsdesign des Gesellschaftsdramas vermittelt in Ausstattung und Kostümen einen glaubwürdigen 50er-Jahre-Flair, der für die Geschichte maßgebend ist. Und die allesamt passend besetzten Figuren des Schauspielerfilms sorgen in ihrer unglückseligen Verstrickung für die nötige Spannung.
Mit seiner akkuraten Darstellung der Gesellschaftsverhältnisse der 1950er-Jahre ermöglicht
Empörung ein Gespräch über die Prüderie und Kommunistenhatz der McCarthy-Ära. Von höchster Bedeutung ist das Figurengeflecht mit Marcus im Zentrum. Der Teenager will seine Überzeugungen auch vor dem Dekan vertreten und sorgt sich, die elterlichen Erwartungen nicht zu erfüllen (immerhin lobt ihn die Mutter als "Sohn, der alles richtig macht"). Die Beziehung zur labilen Olivia verwirrt ihn zusätzlich. Wie stehen die Figuren untereinander in Beziehung, wie ist die Macht verteilt? Ein besonderer Punkt ist Marcus' Atheismus, der an der Universität sofort Verdacht erregt, als er etwa der jüdischen Verbindung nicht beitreten will. Die strengen Normen der Zeit erdrücken Marcus und Olivia, weswegen sich das Drama als Ergänzung zu einer Unterrichtseinheit zum Thema "Individuum und Gesellschaft" anbietet. Interessant ist auch die Erzählstruktur, die das Ende bereits am Anfang vorweg nimmt. Wie verändert dieser Clou die als
Rückblende arrangierte Erzählung?
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christian Horn, 18.01.2017, Vision Kino 2017.
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