Als der amerikanische Pressefotograf Joe Rosenthal am 26. Februar 1945 im Pazifikkrieg der USA gegen Japan ein Foto schoss, das fünf US-Marines und einen Navy-Sanitäter beim Hissen einer US-Flagge auf der Insel Iwo Jima zeigt, ahnte er nicht, dass dieses Foto eines der meistgedruckten in der Geschichte der Fotografie werden würde. Es erschuf einen Mythos und wurde zum Symbol für die Sinnhaftigkeit und den möglichen Erfolg des bisher sehr verlustreichen amerikanischen Kriegseinsatzes. Die drei Fahnenhisser, die die äußerst verlustreiche Invasion der abgelegenen Insel überlebt hatten, wurden von der Militärführung umgehend ins Heimatland zurückbeordert und der Nation als Helden präsentiert, denn sie sollten für weitere Kriegsanleihen werben. Basierend auf dem Memoirenbestseller von James Bradley zeigt Regisseur Clint Eastwood die wahre Geschichte dieser Kriegsepisode an der Front wie in der Heimat und die Schicksale der traumatisierten Soldaten (darunter ein in der Heimat diskriminierter Indianer), die zu Helden aufgebaut wurden.
Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht des Sohnes von John Bradley, der nach dem Tod des Vaters den damaligen Ereignissen und der Ursache für das 60 Jahre währende Schweigen des Vaters auf den Grund gehen will. Ähnlich detailliert und realitätsnah wie der hier als Produzent tätige Steven Spielberg 1998 in
Saving Private Ryan die Invasion der Alliierten 1944 in der Normandie inszenierte, zeigt auch Clint Eastwood die Einnahme der schwer gesicherten Insel, die fast 22.000 japanischen und über 6800 amerikanischen Soldaten das Leben kostete. Das Besondere seines Films ist die subjektive Perspektive der Hauptfigur, deren Erinnerungsfetzen von der Kriegs- und der Heimatfront sich nur langsam über die Montage zu einem kohärenten Mosaik formen. Der Film macht deutlich, dass ein solcher Invasionskrieg keine Helden kennt. Die Soldaten, die dort gekämpft haben, waren zum raschen Handeln gezwungen und um zu überleben, mussten sie sich und ihre Kameraden instinktiv und nach besten Kräften gegenseitig schützen. Eastwood ging mit seinem Filmprojekt sogar noch einen Schritt weiter. Parallel drehte er mit
Letters from Iwo Jima einen zweiten Film, der die Invasion aus der Sicht der Japaner zeigt. Beide Filme eignen sich bestens für die Auseinandersetzung mit dem komplexen Verhältnis von subjektiver Wahrnehmung, historischer Wahrheit und filmischer Umsetzung – und tragen somit zu einer Entmystifizierung des Krieges bei. Anhand des AP-Fotos von Joe Rosenthal lässt sich die Entstehung eines Mythos nachvollziehen, zugleich aber auch die Motivation, diesen Mythos zu bewahren. Darüber hinaus ermöglicht der Film eine Auseinandersetzung mit dem individuellen und kollektiven Gedächtnis und der Aufgabe der nachfolgenden Generationen, sich mit dem Erbe ihrer Vorfahren zu beschäftigen.
Autor/in: Holger Twele, 05.01.2007