Kinostart: 31.08.2017 Verleih:missingFILMs Regie und Drehbuch: Soleen Yusef Darsteller/innen: Mina Özlem Sağdıç, Sasun Sayan, Murat Seven, Wedad Sabri, Ahmet Zirek, Feyyaz Duman, Hussein Hassan, Rekesh Shahbaz, Pelyar Adil Hesen, Hanim Onur, Mame Cheto, u. a. Laufzeit: 117 min, mehrsprachige Originalfassung mit dt. Untertiteln Format: Digital, Farbe Barrierefreie Fassung: nein Filmpreise: (Auswahl 2016): Filmfest München: Förderpreis Neues Deutsches Kino - Beste Produktion; First Step Award: Bester abendfüllender Spielfilm; Unabhängiges FilmFest Osnabrück: Friedenfilmpreis Osnabrück; Duhok International Film Festival: Audience Award for the best Kurdisch Feature Film; Montréal World Film Festival: Special Grand Prix of the Jury; (Auswahl 2017): Fünf Seen Filmfestival; Sofia International Film Festival; Tromsø International Film Festival u.v.a. FSK: ab 12 J. Altersempfehlung: ab 15 J. Klassenstufen:ab 10. Klasse Themen:Familie, Ehre, Rollenbilder, Entfremdung, Vertrauen, Kommunikation, Reisen, kulturelle Identität, Heimat, Generationen/-konflikt, Krieg/Kriegsfolgen Unterrichtsfächer:Deutsch, Geschichte, Sozialkunde, Ethik, Geografie, Psychologie
Nach dem Tod ihrer Mutter treffen sich die in Deutschland aufgewachsenen Geschwister Liya, Jan und Alan in ihrer nordirakischen Heimat und erfahren dort vom letzten Wunsch der Verstorbenen, die neben ihrem im Krieg getöteten Ehemann begraben werden möchte. Gegen den Willen ihres Onkels machen sich die drei Kurden mit dem Leichnam auf den Weg, stehen aber schon bald vor größeren Problemen. So heften sich nicht nur einige Familienmitglieder an ihre Fersen. Zu allem Überfluss brechen zwischen den entfremdeten Geschwistern auch alte Konflikte und Meinungsverschiedenheiten auf. Als sie bei einer Autokontrolle flüchten und ihre Bilder plötzlich durch die Nachrichten geistern, verschlechtert sich ihre Lage weiter. Unterdessen zeichnet sich im Irak das Vorrücken terroristischer Schergen ab.
Die deutsch-kurdische Regisseurin und Drehbuchautorin Soleen Yusef legt ihr Langfilmdebüt Haus ohne Dach als Roadmovie mit klassischen Konfliktelementen an. Ihre drei Protagonisten haben ein gemeinsames Ziel vor Augen, geraten aber aufgrund ihrer unterschiedlicher Haltungen und Ansichten, nicht zuletzt mit Blick auf ihre Heimat und ihre Großfamilie, regelmäßig aneinander. Unschöne Wahrheiten und aufgestaute Frustrationen sorgen für eine explosive Gemengelage, wobei das Drama nie in billige melodramatische Mechanismen verfällt. Eingerahmt wird die Handlung von zwei historisch bedeutenden Ereignissen. Zum einen dem Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein und zum anderen dem Siegeszug des sogenannten Islamischen Staates, womit das zum Ende hin hoffnungsvolle Geschehen einen unbestreitbar bedrückenden Beiklang erhält.
Genauer in den Blick nehmen kann man am Beispiel von Haus ohne Dach den mit der skizzierten Familiengeschichte verbundenen gesellschaftspolitischen Hintergrund, konkret den Irakkrieg, den Fall Saddam Husseins und das Erstarken islamistischer Kräfte, die nach wie vor Terror in der Gegend, aber auch darüber hinaus verbreiten. Anhand der Herkunft der Protagonisten lässt sich über die Autonome Region Kurdistan und über das kurdische Volk im Allgemeinen diskutieren. Spannende Anknüpfungspunkte für den Unterricht bietet Yusefs Drama auch in der Darstellung von familiären Traditionen und individualistischen Bestrebungen, die immer wieder Thema sind und einen Konflikt zwischen der eher konservativ geprägten älteren Generation und jüngeren Menschen offenbart. Reizvoll ist besonders die Figur Jans, der sich zunächst stark früheren Gepflogenheiten, auch den Ehrvorstellungen, verbunden fühlt.
Dieser Text ist eine Übernahme des VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christopher Diekhaus, 30.07.2017, Vision Kino 2017.