"Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Abrechnung der deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die unser Volk je erduldet hat!" Diese und weitere kämpferische Zeilen verteilen Sophie und ihr Bruder Hans Scholl am Morgen des 18. Februar 1943 auf Flugblättern in der
Münchner Universität. Sie werden dabei entdeckt, sofort verhaftet und wenige Tage später, am 22. Februar, hingerichtet. Den Weg bis zur ihrer Festnahme zeichnet das multimediale Instagram-Projekt
Ich bin Sophie Scholl nach. Anlässlich ihres 100. Geburtstages am 9. Mai 2021 inszeniert Regisseur Tom Lass die Widerstandskämpferin als junge Frau, die täglich auf Instagram Neuigkeiten aus ihrem Leben postet. Zeitversetzt um knapp 80 Jahre begleiten die User/-innen des Kanals Sophie in vermeintlicher Echtzeit während ihrer letzten Lebensmonate: vom ersten Tag als Studentin an der Universität München über ihren 21. Geburtstag hin zu ihrem Engagement in der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" und zu ihrem Einsatz gegen Krieg und Nationalsozialsozialismus. Neben ihrer politischen Arbeit beschäftigen die junge Frau in ihren digitalen Tagebucheinträgen auch alltägliche Themen, wie modische Trends und ihre Liebe zu dem Wehrmachtssoldaten Fritz. Zudem setzt sich die gläubige Protestantin darin auch immer wieder mit Glaubensfragen auseinander.
Ich bin Sophie Scholl, Trailer zum Instagram-Projekt (© SWR/BR)
Die persönlichen Storys knüpfen an die Erfahrungswelt eines jungen Publikums an. Das für Instagram typische vertikale 9:16-
Bildformat legt den Fokus auf die handelnden Personen, die Umgebung ist im verengten
Bildausschnitt kaum zu sehen. Die Perspektive bestimmt die Protagonistin Sophie, das Geschehen wird also stets in der
Subjektive gezeigt: Wenn sie sich mit ihrem Freund trifft, ist die Kamera
nah und intim dabei; wenn ihre Freund/-innen ausgelassen Sophies Geburtstag feiern, beobachtet sie diese still aus der Entfernung. Wie viele Influencer/-innen blickt und spricht Sophie häufig direkt in die Kamera und schafft so eine unmittelbare Nähe zu den Zuschauenden. Sie lernen Sophie so nicht nur als Heldin des Widerstandes, sondern auch als junge Frau mit ihren Sorgen und Träumen kennen. Ergänzt werden diese Einblicke durch gezeichnete
Animationssequenzen, die ihrer Gefühlswelt fantasievoll Ausdruck verleihen. Historisches Originalmaterial, wie Fotos, Nachrichtenmeldungen oder Propagandamitschnitte, liefern darüber hinaus eine zeitgeschichtliche Einordnung. Zwei Historikerinnen haben das Projekt beratend begleitet.
Ich bin Sophie Scholl bietet einen guten Anlass, um sich in den Fächern Geschichte, Politik und Ethik der Person Sophie Scholl anzunähern: Wer war diese junge Frau? Wie und warum hat sie sich der "Weißen Rose" angeschlossen? Hier kann auch ihre Bedeutung als Symbolfigur des Widerstands gegen den Nationalsozialismus erörtert werden. Gleichzeitig bietet sich das Instagram-Projekt an, um im Deutsch-, Politik- oder Ethikunterricht über das Zusammenspiel von Politik und Medien zu sprechen. Während im Jahr 1943 Flugblätter für Aufmerksamkeit sorgten, werden politische Forderungen heute über Social-Media-Kanäle geteilt. So kann diskutiert werden, ob Sophies Kampf heute ein anderer gewesen wäre. Welche Möglichkeiten bietet die ortsunabhängige und unmittelbare Kommunikation, um politische Meinungen zu verbreiten und gegen Ungerechtigkeiten aufzubegehren? Hierbei sollten auch mögliche Gefahren benannt werden. Die wahre Sophie hätte den geheimen Treffpunkt der Weißen Rose sicher nicht auf ihrem Account gezeigt. Wo liegt die Grenze zwischen öffentlicher Information und Privatsphäre bei politischen Figuren – aber auch im eigenen Leben?
Aufgabe zur Instagram-Serie Ich bin Sophie Scholl
Fächer: Deutsch, Politik, Geschichte, Sozialkunde, Ethik ab Klasse 9, ab 14 Jahren
a) Seht euch das IGTV der ersten Woche von
Ich bin Sophie Scholl an. Fasst die Handlung zusammen und verortet diese zeitlich. Geht dabei auf Set-Design,
Requisiten,
Kostüm und
Maske ein.
b) Spielt eine Szene gegebenenfalls noch einmal ab, um die Kameraarbeit zu untersuchen. Fasst zusammen, welche
Einstellungsgrößen,
-bewegungen und
-perspektiven verwendet wurden und erörtert, inwieweit diese sowie die Blickrichtung der Protagonistin typisch für das verwendete Social-Media-Format sind.
c) Die Protagonistin in
Ich bin Sophie Scholl basiert auf der realen, gleichnamigen Person. Tauscht euch im Plenum darüber aus, was ihr bereits über die reale Sophie Scholl und die "Weiße Rose" wisst, der sie angehörte. Haltet eure Ergebnisse im Hefter fest.
d) Vergleicht eure Ergebnisse mit dem bpb-Dossier Sophie Scholl und die
Weiße Rose. Erschließt die entsprechenden Artikel arbeitsteilig. Ergänzt eure Notizen zur realen Sophie Scholl und zur Weißen Rose.
e) Diskutiert, wie das fiktionalisierte Social-Media-Profil einer realen, von den Nationalsozialisten ermordeten Person auf euch wirkt. Ihr könnt dabei auf Aspekte aus dem Argumente-Speicher zurückgreifen:
Argumente-Speicher:
•
Ich bin Sophie Scholl weckt Interesse an der Person/an der Weißen Rose
• Zuschauende können Fakten und
Fiktion verwechseln
• Social Media erreicht viele Jugendliche
• Widerstand gegen den Nationalsozialismus wird auf wenige Personen reduziert
f) Seht euch weitere Teile von
Ich bin Sophie Scholl an.
1. Fasst zusammen, was ihr über Sophie Scholls Intention erfahrt, Widerstand gegen den Nationalsozialismus zu leisten.
2. Analysiert, welche Elemente der Handlung und/oder Verhaltensweisen von Sophie Scholl fiktionalisiert wurden. Tauscht euch über mögliche Ursachen aus.
g) Die Gruppe der Weißen Rose verteilte
Flugblätter, auf denen sie auf die Verbrechen der Nationalsozialisten aufmerksam machte und an die politische Verantwortung der Bürger/-innen appellierte. Tauscht euch im Plenum darüber aus, welche Medien die Weiße Rose heutzutage nutzen würde.
h) Vergleicht eure Ergebnisse mit dem Überblickstext
Widerstand im Netz von Rainer Winter.
Optional:
i) Sophie Scholl hätte mit Instagram-Videos wichtige Zeitzeugnisse hinterlassen, wenn es die technische Möglichkeit gegeben hätte. Stellt euch vor, ihr wollt mit einem ähnlichen Format wie
Ich bin Sophie Scholl dokumentieren, wofür Jugendliche heutzutage kämpfen, beispielsweise Nachhaltigkeit, Klimagerechtigkeit und Überwindung rassistischer Denkmuster.
Formiert euch in Kleingruppen, wählt ein Thema aus und dreht ein Video oder eine kurze Instagram-Story. Stellt eure Ergebnisse anschließend im Plenum vor und gebt einander kriterienorientiertes Feedback.
Autor/in: Sarah Hoffmann (Filmbesprechung), Hanna Falkenstein (Arbeitsblatt), 04.05.2021
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