Megasaki, 20 Jahre in der Zukunft: In der fiktiven japanischen Metropole ist die Hundegrippe ausgebrochen. Weil das Schnauzfieber angeblich auch Menschen befallen kann, verbannt der autokratische Bürgermeister und Katzenliebhaber Kobayashi alle Hunde auf
Trash Island, eine im Meer gelegene Mülldeponie. Dort stöbern die abgeschobenen Tieren im Abfall nach essbaren Speiseresten und fristen ein jämmerliches Dasein. Beim Versuch, seinen treuen Schutzhund Spots zurückzuholen, stürzt der 12-jährige Atari, Ziehsohn des Bürgermeisters, in einem Kleinflugzeug über der Deponie ab. Auf Trash Island trifft er die fünf Hunde Chief, Rex, King, Duke und Boss, die ihn bei der Suche nach Spots begleiten – auch wenn der mürrische Streuner Chief das nicht unbedingt gutheißt. Parallel deckt die pfiffige US-Austauschschülerin Tracy in Megasaki eine politische Verschwörung zur Aussiedlung der Vierbeiner auf.
Für seinen zweiten
Animationsfilm nach der Roald Dahl-
Adaption Der fantastische Mr. Fox verfasste der US-Auteur Wes Anderson das
Originaldrehbuch selbst. Auch deshalb weist die
Stop-Motion-Dystopie alle Ingredienzien auf, die Andersons filmische Handschrift so unverwechselbar machen. Es geht um tragikomische Außenseiter/-innen, die einen Platz im sozialen Umfeld suchen, es gibt Kapiteleinteilungen, exakte Zeitangaben und erklärende Text-
Inserts. Die narrative "Ordentlichkeit" spiegelt sich im für Anderson typischen Hang zu klaren Formen und Symmetrien, die er hier oft mit
Splitscreens und
Close-Ups umsetzt. Auf der
Tonebene untermalt der fernöstlich inspirierte
Trommel-Score die lakonische Stimmung der Fabel. Am Ende gewinnt
Isle of Dogs – Ataris Reise weniger durch den simplen, aber abwechslungsreichen Plot, als vielmehr durch die selbstreferenzielle
Inszenierung des Films.
Isle of Dogs – Ataris Reise, Szene (© 20th Century Fox)
Wes Andersons Autorenhandschrift eröffnet im medienkundlichen Unterricht die Möglichkeit, die Schüler/-innen – bestenfalls im Vergleich mit einem anderen Werk des Regisseurs – für Filmästhetik zu sensibilisieren. Welche Stilmittel prägen seine Filme, was verbindet seine Charaktere und wodurch entsteht die hohe Wiedererkennbarkeit? Eine zentrale Rolle spielen Andersons harmonische Bildkompositionen, wenn die Hunde etwa Sprünge in 90-Grad-Winkeln vollführen. Im Fach Kunst regt der Stop-Motion-Film zur praktischen Umsetzung einer kurzen Stopptrick-
Sequenz an. Die sozialen Interaktionen der Figuren bieten inhaltliche Anknüpfungspunkte für den Sprachunterricht. Die Kommunikationsbarriere zwischen Hunden und Menschen erschwert die gegenseitige Akzeptanz: Während das Hundebellen – wie es anfangs ironisch in der Originalfassung heißt – in korrektes Englisch übertragen wurde, ist das gesprochene Japanisch nicht untertitelt. Stattdessen übersetzt eine Dolmetscherin manche Dialogszenen live. Die aufkeimende Freundschaft des Waisenjungen Atari zum Streuner Chief, der Haustiere und Menschen verachtet ("I bite"), beinhaltet den emotionalen Kern der Handlung. Zudem greift der Film aktuelle gesellschaftliche und politische Themen auf, etwa Umweltbelastung, das Schicksal Geflüchteter, Folgen von Diktatur und Propaganda wie auch von "Fake News" – und offeriert damit Stoff für weiterführende Diskussionen.
Autor/in: Christian Horn, 08.05.2018
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