Am Piano fühlt sich Maria Theresia Paradis "wie ein General". Das sind seltene Momente im Leben der 18-Jährigen. Denn die junge Frau untersteht dem Diktat ihrer ehrgeizigen Eltern, die ihre früh erblindete Tochter bei Kammerkonzerten vorführen. "Ein superiöres Talent" wird ihr attestiert, ansonsten wird sie von der Wiener Hofgesellschaft des Jahres 1777 jedoch als Kuriosum betrachtet, das man bestaunt, belächelt, bemitleidet. Behandlungen mit Blei, Schwefel und Elektroschocks hat Resi, wie sie genannt wird, bereits durchlitten. Nun setzen die Eltern ihre Hoffnung auf den Arzt Franz Anton Mesmer, der einem "magnetischen Fluidum" heilende Kräfte zuschreibt und um die Anerkennung seiner Methode kämpft. In seinem Sanatorium erlebt Resi erstmals Freiheit, Zuwendung und Akzeptanz. Und tatsächlich kehrt langsam ihre Sehkraft zurück, doch leidet darunter ihr virtuoses Klavierspiel.
Licht handelt von der tatsächlichen Begegnung von Paradis und Mesmer. Die Regisseurin stützt sich dabei auf eigene Recherchen und den Roman "Am Anfang war die Nacht Musik". Ein detailliertes
Set- und Kostümdesign sowie
Musik und Sprache vermitteln authentisch die höfische Rokoko-Gesellschaft, die als restriktive und auf Äußerlichkeiten bedachte Ordnung charakterisiert wird, in der Menschen wie Resi oder Mesmer Außenseiter sind. Funktioniert der Film auf dieser Ebene als Kostümdrama, erzählt er überzeitlich von der Emanzipation einer jungen, blinden Frau, die sich nicht gesehen fühlt und in der Musik ihre Identität findet.
Licht ist ganz nah bei Resi (eindrucksvoll: Maria Dragus) und nimmt in
subjektiven Aufnahmen konkret deren Perspektive ein. Wiederholt wird zudem der Status der Frau hinterfragt, sowohl am Hofe wie auch im untersten Stand der Mägde und Köchinnen im Sanatorium. Über allem steht dabei die Frage nach dem Wert eines Menschen.
Licht, Trailer (© Farbfilm Verleih)
Der Film regt zunächst dazu an, sich mit den historischen Persönlichkeiten Maria Theresia Paradis, die nach einer erneuten Erblindung ihre Musikkarriere ausbaute und sich als Komponistin und Musiktherapeutin einen Namen machte, und dem Arzt Mesmer zu beschäftigen. Spannend ist dabei die Frage, ob die junge Frau tatsächlich das Sehen lernte, wozu es unterschiedliche Thesen gibt. Worauf könnte der Behandlungserfolg beruhen? Zudem bietet es sich an, sich mit der Gesellschaft des Rokokos zu beschäftigen, etwa mit dem Menschenbild jener Epoche. Neben historischen Fragen bietet auch Resis Situation als Blinde Diskussionsstoff. "Wer nicht sehen kann, wird nicht gesehen. Wer nicht gesehen wird, wird nicht gehört. Der lebt nicht", sagt sie etwa einmal im Film. Weiterführend geht es in
Licht immer auch um Sehen, Hören und Wahrnehmung (und die Frage, wie dies filmisch vermittelt wird) und um Musik als ein Mittel, sich auszudrücken und mit anderen zu kommunizieren.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Kirsten Taylor, 18.12.2017, Vision Kino 2017.
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