Der Franzose Bertrand Blier traut sich was: Ganz ungeniert entwickelt er Männerprojektionen und -träume von der Hure mit dem großen Herz, einem Idealbild so manchen Machos. Mit Marie (Anouk Grinberg erhielt in Berlin den 'Silbernen Bären' als Beste Darstellerin) hat
Das Mädchen Irma La Douce eine würdige Nachfolgerin gefunden. Sie liebt die Liebe und die Männer, betreibt ihr Gewerbe allein und möchte ihre Kunden glücklich sehen. Als sie sich Hals über Kopf in einen stinkenden Penner verliebt und ihn in einen parfümierten Zuhälter verwandelt, ist das Glück für sie perfekt. Doch Jeannot (Gérard Lanvin) bekommt der Müßiggang nicht, bald lässt er weitere Damen anschaffen. Das bringt Marie gegen ihn auf und den Treulosen hinter Gitter. In ihrer Enttäuschung landet sie im Hafen einer bürgerlichen Ehe – hübsches Heim, zwei Kinder, statt Lotterleben Langeweile. Als Jeannot aus dem Gefängnis entlassen wird, erhält er zwar Speis und Trank, aber nicht mehr.
Das Spiel mit dem Klischee der liebenden Hure gelingt Blier perfekt. Beruf wird zur Berufung, wenn Marie unter den liturgischen Klängen von Henryk Gorecki ihre Lust auslebt, denn für den Regisseur haben "Religion und Erotik sehr viel miteinander zu tun." Die Musik bildet einen Kontrapunkt zur sexuellen Gewalt, denn, so der 56-jährige, "darüber sollten wir uns klar sein, eine richtige Liebesszene hat immer etwas mit Gewalt zu tun". Seine Heldin macht eine Art Reinigungsprozess durch, "nach einer Überdosis Sex, Leidenschaft und Männer hört sie mit der Prostitution auf. Sie entledigt sich ihrer Droge und lebt am Ende ein ganz normales Leben." Blier irritiert mit diesem auf den ersten Blick antiquiert wirkenden Frauenbild, variiert er doch geschickt das Thema der Heiligen und der Hure. Durch filmische Verfremdungen, etwa wenn sich die Darsteller direkt an den Zuschauer wenden, relativiert er dieses Bild immer wieder, was für zusätzliche Verunsicherungen sorgt.
Blier, der Lebensgefährte seiner Hauptdarstellerin Anouk Grinberg, liebt die Provokation. Vor allem Männer reagieren seiner Meinung nach oft hilflos auf den Film, weil es ihnen schwerfällt, "einer Frau zuzusehen, die totale Lust empfindet. Das macht ihnen Angst." Auch das animalische Element scheint einige Besucher zu erschrecken. Dabei ist Maries Entscheidung, für Jeannot auf den Strich zu gehen, ein Zeichen ihrer (fehlgeleiteten) Liebe. In einem Machtverhältnis, das die typische Rollenverteilung zwischen Zuhälter und Nutte mit entwürdigenden Streitereien und Sexszenen zeigt, ist diese zum Scheitern verurteilt. Der Regisseur mit seinem Faible für Außenseiter der Gesellschaft erzählt ein modernes Märchen und will nicht alles mit dem Verstand erklären: "Ich liebe Klischees und stelle sie gerne auf den Kopf."
Mein Mann zeigt ein männliches Frauenideal, das diejenigen mit festen Vorstellungen über Emanzipation vielleicht verärgert und ratlos macht. Aber im Grunde ist der Film nicht mehr als eine augenzwinkernde Groteske über die Glorifizierung von wahrer und käuflicher Liebe. Eine Frau, die sich aufgibt, verliert immer.
Autor/in: Margret Köhler, 01.08.1996