Hier zu Lande nur Historikern bekannt, ist Michael Collins in Irland ein Held. Sein Ringen um nationale Unabhängigkeit und sein früher Tod machten ihn zur Legende. Der irische Regisseur Neil Jordan setzte dem Freiheitskämpfer ein filmisches Denkmal. Das Historien-Epos beginnt mit dem Osteraufstand 1916 in Dublin: Irische Republikaner rebellieren gegen die britische Besatzungsmacht. Fast alle Rädelsführer werden exekutiert, nur Eamon de Valera, ein Ire mit amerikanischer Staatsbürgerschaft, bleibt verschont und kommt wie seine Mitstreiter Michael Collins und Harry Boland ins Gefängnis. Zwei Jahre später: Michael Collins gehört dem von de Valera geleiteten Schattenkabinett an. Er baut die im Untergrund operierende Irish Republican Army (IRA) auf, die durch gezielte Anschläge auf königstreue Politiker und Spitzel die Regierung in London verunsichert, eine Taktik , die bis in die Gegenwart das Verhältnis zwischen Großbritannien und Nordirland beherrscht. Als unerwartet der Waffenstillstand ausgerufen wird, reist Collins auf Betreiben von de Valera als Chefunterhändler für die anstehenden Friedensverhandlungen nach London. Der ausgehandelte Friedensvertrag sieht statt der Gründung einer Republik nur einen Irischen Freistaat vor. Viele von Collins' früheren Gefolgsleuten sind enttäuscht und werfen ihm Verrat vor. Collins verteidigt den Kompromiss aber als Grundlage für künftige Verhandlungen. Seine Weggefährten de Valera und Boland sagen sich darauf von ihm los; aus Freunden werden erbitterte Feinde. Der Bürgerkrieg bricht aus, Boland wird von den Truppen der neuen Regierung erschossen. Um weiteres Blutvergießen zu verhindern, will Collins sich in Cork mit de Valera zu Friedensverhandlungen treffen. Auf dem Weg dorthin gerät er in einen Hinterhalt und wird erschossen.
Mit dem Heldenportrait hat sich Neil Jordan einen Herzenswunsch erfüllt. Schon 13 Jahre zuvor wollte er Collins' Lebensgeschichte verfilmen. Bereits im Vorfeld der Produktion wurden Einwände gegen das Drehbuch erhoben. Man warf dem Filmemacher vor, er zeichne eine heldenhaftes Bild terroristischer Aktivitäten. Oxford-Professor Roy Foster bemängelte, dass in einer besonders brutalen Szene die britischen Truppen während eines Fußballspiels mit Maschinengewehren in die Menge feuern, statt, wie historisch belegt, mit Pistolen. Collins' Kampfgenosse Vinny Byrne wird im Film erschossen. Tatsächlich wurde er ein führendes Mitglied der republikanischen Bewegung und starb erst im hohen Alter. Auch folterte man den Spitzel Ned Broy nicht zu Tode, sondern er erreichte ebenfalls ein hohes Alter und wurde Polizeichef im irischen Freistaat. Im Film ist Collins seiner Verlobten Kitty Kierman innig zugetan. Zeitgenossen kennen ihn dagegen als Frauenhelden. Für seinen Tod gibt es auch eine ganz unheroische Erklärung: Collins soll versehentlich von betrunkenen IRA-Schützen getötet worden sein.
Nach eigenen Angaben hat der Regisseur Collins' Briefe und Reden genau studiert und reklamiert dramaturgische Freiheit für historische Ungenauigkeiten. Ihm kommt es vor allem darauf an, Collins' politische Wandlung aufzuzeigen, vom rebellischen Guerilla-Kämpfer, dessen Freiwilligenarmee aus armen Bauern und jungen Arbeitern den Widerstandsbewegungen in aller Welt bis heute als Vorbild dient, zum pragmatisch orientierten Politiker, der sich um friedliche Lösungen bemüht. Dieser charismatische Mann, der mit seinen Reden die Massen begeistern konnte, ist mit 'Schindler'-Darsteller Liam Neeson passend besetzt. Jordan bemüht sich um eine ausgewogene Darstellung der irischen Befreiungsbewegung, deren Zielsetzungen wie deren Gespaltenheit bis in die Gegenwart wirken. Er betont die auf Frieden gerichteten Ziele der von Collins vertretenden Fraktion, überhöht aber ihren Führer posthum zum Märtyrer, was dieser nicht unbedingt war. Bei der Darstellung seines Todes unterstellt der Filmemacher, dass Collins von de Valera bewusst einer Gefahr ausgesetzt wurde und darin umkam. Nach Jordan ließ der 'militante' de Valera den 'Friedensfreund' Collins umbringen. Nicht zufällig bemüht der Regisseur in einem Interview den biblischen Konflikt von Kain und Abel, um die politischen Kontrahenten zu charakterisieren. Nicht jeder wird dieser Interpretation vergangener Ereignisse folgen können. Den politischen Gegnern ist gemeinsam, dass sie das Problem Nordirland nicht lösen konnten.
Autor/in: Angela Leifeld, 01.02.1997