Ihre Arbeit als Pferdetrainer/-in, deren Tiere bei Filmdrehs vor der Kamera stehen, erfüllt OJ und Emerald Hayward mit Stolz: Nicht nur gründete ihr Vater die einzige "Black-owned" Pferderanch Hollywoods, auch war der Jockey, der das Pferd in Eadweard Muybridges berühmter ersten
Chronofotografie reitet, ihr Vorfahre, wie Emerald einmal erzählt. Tatsächlich gilt die Fotosequenz vielen als der allererste Film, was ihren Ahnen zum ersten Schauspieler und Stuntman der Filmgeschichte macht. Trotzdem läuft der Familienbetrieb schlecht, seitdem ihr Vater bei einem rätselhaften Unfall gestorben ist. Das Geschwisterpaar sieht sich gezwungen, immer mehr Tiere zu verkaufen. Als dann auch noch Pferde auf mysteriöse Weise verschwinden und sich der Verdacht erhärtet, dass dahinter ein UFO steckt, fassen Bruder und Schwester einen Plan: Gelingt ihnen eine überzeugende Filmaufnahme vom Flugobjekt, können sie diese als Beweis für außerirdisches Leben teuer verkaufen und die Ranch retten.
Von diesem Plot ausgehend entwickelt sich ein
Genrefilm, in dem viele Einflüsse zusammenlaufen. Regisseur und
Drehbuchautor Jordan Peele (
Get Out, USA/J 2017), der sich mit Comedy und
Horror einen Namen gemacht hat, greift in
Nope zwar Elemente aus beiden Genres auf, dringt gleichzeitig jedoch in die prächtigen Bilderwelten der
Science Fiction und des
Westerns vor. Passend zu diesen bildgewaltigen Genres bildet das Verlangen nach Spektakel das Grundthema des Films. Das unbekannte Flugobjekt greift einen nämlich nur an, wenn man es anschaut. So fallen jene, die versuchen das UFO zu erblicken oder gar bildlich einzufangen, letztlich ihrer eigenen Sensations- und Schaulust zum Opfer. Zeitgleich geht es auch um das Thema Darstellung: Wenn OJ im Finale durch die
Wüstenlandschaft galoppiert, wird auf der Bildebene der Western aufgerufen, ein Genre, in dem – entgegen der historischen Realität – Schwarze lange kaum repräsentiert waren. Auch im Bestreben der Haywards, als erste das Flugobjekt zu filmen, geht es nicht zuletzt darum, das Bild, den Rahmen zu bestimmen sowie gesehen und anerkannt zu werden, um nicht wie ihr Vorfahre in Vergessenheit zu geraten.
Fächerübergreifend liegt zunächst eine Einordnung der zahlreichen filmhistorischen Referenzen in
Nope nahe: Wie kam Muybridges Chronofotografie vom galoppierenden Pferd zustande? Zu welcher Zeit wurden Filmkameras mit einer Kurbel betrieben? Filmanalytisch interessant sind zudem sowohl die verschiedenen Genremerkmale (inhaltlich wie ästhetisch) als auch explizite Filmreferenzen wie etwa
Der Weg der Verdammten (R: Sidney Poitier, USA 1972),
Unheimliche Begegnung der dritten Art (R: Steven Spielberg, USA/UK 1977) oder
Akira (R: Katsuhiro Ôtomo, J 1988). Neben den erwähnten Science Fiction-, Western- und Horrorgenres ist im Finale der Fokus auf
Suspense und die Nähe zum
Thriller nennenswert. Besonders auffällig ist dabei, wie
Musik und die aufblasbaren "Tubeman"-Figuren eingesetzt werden, um akustisch und visuell Spannung zu erzeugen. In Geschichte und Englisch lässt sich mit einer Hintergrundrecherche zu Schwarzen Cowboys die Problematik von deren Darstellung und (Nicht-)Repräsentanz im Western vertiefen. Ebenfalls bietet sich eine Figurenanalyse des Geschwisterpaars an, deren Gegensätzlichkeit auch über das
Kostümbild vermittelt wird: Passend zu ihren jeweiligen Rufnamen trägt Emerald ein grünes Trikot, auf dem der Familien- und Firmenname Hayward steht, OJ dagegen einen orangenen Pullover mit dem Schriftzug "Crew". Nicht zuletzt lässt sich am Beispiel der
Sequenz mit dem Schimpansen die metaphorische Bedeutungsebene des Films in Hinblick auf Schaulust herausarbeiten. Wer profitiert von dem Fernsehauftritt des Tiers? Warum greift es die Menschen an? In welchem Zusammenhang stehen diese
Szenen mit dem restlichen Film?
Autor/in: Dominique Ott-Despoix, 09.08.2022
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.