Der Film Parasite (FSK 16) hat im letzten Drittel grafische Gewaltdarstellungen, die verstörend wirken können. Es empfiehlt sich, individuell abzuwägen, ob der Film mit der Lerngruppe gesichtet werden kann.
Mehr schlecht als recht hält sich die
in einer ranzigen Souterrain-Wohnung hausende Familie Kim mit dem Zusammenfalten von Pizza-Kartons über Wasser. Zugang zum Internet gibt es nur über das unverschlüsselte WLAN der Nachbarn, dessen Empfang allerdings stark begrenzt ist. Als Sohnemann Ki-woo über einen alten Freund einen Job als Nachhilfelehrer in der Villa der wohlhabenden Parks ergattern kann, scheint das Ende des Tunnels erreicht. Geschickt umgarnt der junge Mann die Mutter seiner neuen Schülerin und gewinnt umgehend ihr Vertrauen. Mit raffinierten Tricksereien, die auf Kosten der bisherigen Bediensteten gehen, verschafft er seiner Schwester und seinen Eltern schon bald Anstellungen im Luxusanwesen der Parks. Irgendwann machen die Kims allerdings eine schockierende Entdeckung, die ihre Glückssträhne bedroht.
Dem in Cannes mit der Goldenen Palme für den besten Film ausgezeichneten
Parasite gelingt das Kunststück, Unterhaltung und Gesellschaftskritik auf clevere Weise zu verbinden. Regisseur Bong Joon-ho wechselt gekonnt zwischen Komödie, Drama,
Thriller und Satire und erzählt eine Geschichte, die manch überraschende Wendung bereithält. Der Kampf zwischen Arm und Reich, der in der Gegenüberstellung der beiden grundverschiedenen Familien zum Vorschein kommt, fällt dabei erfreulich differenziert aus. Moralische Verwerflichkeit herrscht, so zeigt es der Film, nicht nur auf Seiten der reichen Arbeitgeber. Auch die Kims können erstaunlich skrupellos und egoistisch sein. Die soziale Ungleichheit spiegelt sich in einer ausgeklügelten Bildsprache wider. So
gleitet die Kamera gleich zu Beginn langsam nach unten und gibt schrittweise den Blick auf eine heruntergekommene Souterrain-Wohnung frei.
Parasite, Trailer (© Capelight Pictures)
Anhand von
Parasite lässt sich eine ausführlich Diskussion über das Auseinanderdriften der gesellschaftlichen Schichten anstoßen, wobei man folgende Fragen erörtern könnte: Beleuchtet der Film ein spezifisch südkoreanischen Phänomen? Oder befasst er sich mit einer globalen Entwicklung? Und welche psychologischen Folgen hat es, wenn man sich zunehmend abgehängt fühlt? Interessant ist sicher auch die Art und Weise, wie der unberechenbare
Genre-Mix mit dem Identifikationspotenzial seiner Figuren spielt. Warum drückt man den Kims in manchen Momenten die Daumen und fühlt sich in anderen von ihrem betrügerischen Vorgehen abgestoßen? Überhaupt bietet es sich an, die moralischen und ethischen Fallstricke zu thematisieren, die sich in der clever konstruierten Erzählung auftun. Fruchtbar ist nicht zuletzt ein Blick auf die durchdachte, den Kampf zwischen Arm und Reich betonende Bildgestaltung.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Christopher Diekhaus, 30.09.2019, Vision Kino 2019.
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
The Host (Filmbesprechung vom 28.03.2007)
Ich, Daniel Blake (Filmbesprechung vom 23.11.2016)
Shoplifters – Familienbande (Filmbesprechung vom 26.12.2018)
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.