Der 12-jährige Storm hilft seinem Vater mehr schlecht als recht in dessen Buchdruckerwerkstatt im Antwerpen des ausgehenden Mittelalters. Als intelligenter Beobachter jedoch entgeht ihm nichts: die Schulden des Vaters, der geheime Auftrag eines fremden Mönchs, die Jagd der Inquisition auf die Buchdrucker der Stadt. Als der Vater schließlich verhaftet wird, ist Storm bereit – er entkommt den Verfolgern mitsamt der fertigen Druckplatte des verbotenen Briefes von Martin Luther. Auf seiner Flucht taucht er im buchstäblichen Untergrund, der Kanalisation der Stadt unter. Von hier aus und mit Hilfe der furchtlosen Marieke, gilt es den Vater vor dem Scheiterhaufen zu retten. Von Verrätern umgeben, beschließen sie schließlich, den revolutionären Brief selbst zu drucken und zu veröffentlichen und erreichen damit den Aufstand des Volkes gegen die Inquisitoren am Tag der geplanten Hinrichtung.
Storm und der verbotene Brief fesselt das Publikum von der ersten Minute an. Die Handlung ist schnell,
spannend sowie schlüssig und präsentiert sich in einer ausgesprochen detailreichen
mittelalterlichen Kulisse. In Lumpen gehüllte Kinder, streunende Tiere und bettelnde Pestkranke bevölkern die in
Fackellicht getauchten Straßenzüge. Die Kamera begleitet den Protagonisten scheinbar vollkommen losgelöst, in
Fahrten und Flügen quer durch die ganze Stadt, durch die vom Kerzenschein erleuchtete Unterwelt von Marieke, und hinein in die erhabenen Hallen der Kathedralen. Storm als jugendlicher Held und die starke Marieke an seiner Seite sind dabei ideale Identifikationsfiguren für das jugendliche Publikum. Durch die Liebe zum Detail kann neben der Haupthandlung die Kunst der Buchdruckerei ganz genau beobachtet und der Wert eines Buches sinnlich erfahren werden.
Im Reformationsjahr bietet
Storm und der verbotene Brief einen energiereichen Einstieg in die Thematik. Die Figur Martin Luthers und seine revolutionären Gedanken werden durch Storm und seine Abenteuer lebendig. Dabei wird Zensur in den verschiedensten Ebenen sichtbar. Doch die Kraft des Wortes, beflügelt durch die Möglichkeit zur Vervielfältigung, lässt die Mächtigen zittern. Diese Erkenntnis bereitet die Grundlage für die Erörterung der Notwendigkeit der Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und Gewissensfreiheit. Storms Handlungen laden dabei ganz konkret zur Diskussion darüber ein, welchen Einsatz die Freiheit rechtfertigt. Im Rahmen des aktuellen Zeitgeschehens bietet der Film einen Ansatz, bei aller Kritik an islamistischer Ideologie, die dunklen Zeiten der christlichen Religion nicht aus den Augen zu verlieren. Dabei sollte offen und religionsübergreifend ein Austausch darüber angestrebt werden, was ethisch richtiges Verhalten ist.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Antje Knapp, 24.01.2017, Vision Kino 2017.
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