Paula lebt in der französischen Provinz. Auf dem Wochenmarkt verkauft sie mit ihrem Bruder und ihren Eltern Käse aus eigener Produktion. Wenn sie nicht in der Schule ist, hilft sie auf dem Hof, gibt Futterbestellungen auf und kümmert sich um den Kundenkontakt. Außenstehenden erzählt sie, das sei Arbeitsteilung. Wer die Familie Bélier aber kennt, weiß, dass es um mehr geht als das. Denn Quentin, Gigi und Rodolphe sind taubstumm und Paula ist ihre wichtigste Verbindung zur Außenwelt. Mit ihr sind sie ein eingespieltes, humorvolles Familienteam. Doch als Paula im neuen Schuljahr in die Chor-AG eintritt und der Chorleiter ihre Stimme entdeckt, gerät die sonst so selbstverständliche Arbeitsteilung und die spielerische Verbindung zwischen der Welt der Hörenden und der Gehörlosen aus dem Gleichgewicht: Paula träumt davon, in Paris Gesang zu studieren. Doch wie kann sie das einer taubstummen Familie nahebringen? Und was passiert, wenn sie als Übersetzerin plötzlich fehlt?
Verstehen Sie die Béliers?, Trailer (© 2014 Concorde Filmverleih GmbH)
Eric Lartigau gelingt mit
Verstehen Sie die Béliers? eine schwungvolle Komödie mit starker Besetzung und einer Handlung, die Witz und Seriosität in ein natürliches Gleichgewicht bringt. Die Unbefangenheit, mit der Louane Emera dabei die jugendliche Hauptfigur interpretiert und die ungezwungene Verbindung von gesprochener Sprache und Gebärdensprache, die sie zum Kern des Films macht, verleihen dem Film seine Unverfälschtheit und seine Besonderheit. Die unterschiedlichen Herausforderungen, die an die Protagonistin herangetragen werden sowie die erst zaghaft suchenden, dann mit Gewissheit gefüllten Interpretationen der Chansons von Michel Sardou werden dabei mit so viel Taktgefühl in Beziehung zu einander gestellt, dass das Publikum frei von Melodramatik, aber mit Bestimmtheit berührt wird. Auf diese Weise besteht der Film mit Leichtigkeit die feine Gratwanderung zwischen Humor und Nachdenklichkeit, zwischen Träumen und Zweifel, zwischen Gebärden und Tönen.
Die Geschichte von Paula und ihrer Familie eröffnet verschiedene Perspektiven auf das Erwachsenwerden und lässt dabei Hörende und Gehörlose in eine gemeinsame Welt eintauchen, die ein eigenes sinnliches Filmerleben ermöglicht. Entlang der dargestellten Alltagsräume können dabei unterschiedliche Kommunikationsformen angesprochen und zentrale Aspekte wie Rollenbilder und Beziehungen, der Sozialisationsraum 'Familie' oder Fragen nach Chancen und Grenzen von Erziehung aufgegriffen werden. Auch die Suche nach Selbstvertrauen und Selbstbestimmung oder die Auseinandersetzung mit Lebensentwürfen- und zielen kommen dabei ins Spiel. Darüber hinaus schafft die für den Film bedeutende Musik von Michel Sardou Anknüpfungspunkte für die Filmarbeit im Musikunterricht. Neben dem Leben und Wirken des Sängers und der kulturellen Bedeutung seiner gesellschaftspolitischen Chansons können die Funktion der Musik im Film besprochen werden.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Lisa Haußmann
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.