Inhalt
Der 12-jährige Simon lebt mit Louise, die ihn stets als ihren kleinen Bruder ausgibt, am Fuße eines Skigebiets in den Schweizer Alpen. Um für ein Auskommen zu sorgen, bestiehlt Simon Touristen um Skier und Ausrüstung, die er zurück im Tal verkauft. Von diesem Geld kauft er die alltäglichen Dinge für sich und Louise, die ihre Arbeit verloren hat und mehr an Männerbekanntschaften als an einem Familienleben interessiert scheint. Simon füllt die Rolle des Versorgers aus und erhofft sich im Gegenzug etwas Liebe von Louise. Doch ihre finanzielle Abhängigkeit und Simons zunehmenden Bevormundungen belasten die Beziehung immer stärker.
Umsetzung
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Winterdieb erzählt die Geschichte eines Jungen, der auf jeder Ebene nach oben will: in physischer, sozialer und finanzieller Hinsicht. Während die Welt unten nur trostlos, schmutzig und neblig ist – sowohl wörtlich als auch im übertragenen Sinn – gibt es oben alles im paradiesischen Überfluss: Sonne, reinen weißen Schnee, Geld und Glamour." (Ursula Meier). Geschickt und zu jeder Zeit überzeugend fängt der Film diese beiden Welten ein und zeigt, wie Simon zwischen ihnen pendelt. Mal der höfliche Mittelklassejunge, der Anschluss an Touristen sucht, um wenigstens für kurze Zeit so etwas wie Familie zu erleben, dann wieder der professionelle Dieb. Meier und Kamerafrau Agnès Godard gelingt es in Bildern von diesem "oben" und "unten" zu erzählen. Einen großen Beitrag dazu liefern die sorgsam gewählten Schauplätze, die gleich eigenständigen Akteuren den Film prägen, die Handlung strukturieren. Weiterer großer Pluspunkt des Films ist Kacey Mottet Klein, der mit intensivem und zugleich sensiblem Spiel überzeugte. An seiner Seite gibt Léa Seydoux eine Louise, die als verirrte Schöne das Herz rührt.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Winterdieb gelingt es, inhaltlich und dank wohldurchdachte Handlungsorte und Bilder, die Kluft zwischen Arm und Reich zu thematisieren. Nicht nur Simons Raubzüge, um sich und Louise zu ernähren, auch die Rolle der Frauen und Männer, die durch ihre harte Arbeit im Hintergrund die strahlende Skiwelt am Laufen halten, können Ansatzpunkte für eine Diskussion über Ökonomie und Gesellschaft sein. Der Wunsch nach Statussymbolen und Simons Delinquenz sind weitere Themen, die behandelt werden können. Könnten in Deutschland die sozialen Sicherungssysteme verhindern, dass Simon kriminell wird? Und welche Chancen bietet unsere Gesellschaft einem Jungen wie Simon? Auf einer persönlicheren Ebene sind Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit die Themen Verantwortung, Familie, Liebe und Glück. Welche Rolle spielt Geld in einer Familie/Beziehung? Wie kann finanzielle Unsicherheit/Abhängigkeit einer Beziehung schaden? Wo hat die Liebe dabei ihren Platz? Und welche Härten bedeutet es für Kinder in einer dysfunktionalen Familie aufzuwachsen?

Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Daniel Stümpfig, 05.11.2012, Vision Kino 2012.