Kategorie: Filmbesprechung + Arbeitsblatt
"Vena"
Kraftvolles Kinodebüt: Chiara Fleischhackers Porträt einer jungen Frau zwischen Drogensucht, Schwangerschaft und Gefängnis
Unterrichtsfächer
Thema
Jenny lebt bei ihrem Freund Bolle in einer Erfurter Plattenbausiedlung. Sie ist arbeitslos, er hält die beiden mit Montagejobs über Wasser. Trotzdem erscheint ihnen ihr Alltag nicht trist. Die beiden sind schwer verliebt und erwarten gemeinsam ein Kind. Aber vor allem verbindet sie der gemeinsame Rausch – und das Verlangen danach. Denn sie sind abhängig von Crystal Meth und richten ihr Leben nach der Droge aus. Arztbesuche oder Behördentermine passen da nicht rein. Als Jenny einen gelben Brief im Briefkasten findet, muss sie ihre Situation überdenken: Sie wird zum Antritt einer Haftstrafe in die Justizvollzugsanstalt (JVA) geladen. Im Jugendamt rät ihr die Betreuerin, die Haft vorzeitig anzutreten, um ihre Chancen auf einen Mutter-Kind-Platz zu verbessern; außerdem soll sie sich eine Familienhebamme suchen. Widerwillig ruft Jenny ein paar Nummern an und bald steht Hebamme Marla vor der Tür. Zwischen den auf den ersten Blick so unterschiedlichen jungen Frauen entwickeln sich vorsichtiges Vertrauen und Zuneigung. Jenny gewinnt zunehmend Selbstvertrauen und wagt den Entzug.
Zum Inhalt: Regisseurin und Zum Inhalt: Drehbuchautorin Chiara Fleischhacker erzählt ihren genau recherchierten Debütfilm nah am Alltag ihrer Protagonistin. Sie zeichnet Jenny als junge Frau, die wenige Perspektiven hat, aber trotzdem voller Lebensfreude steckt und sich nach Geborgenheit und Schönheit sehnt. Sie genießt die seltenen Stunden mit ihrem ersten Sohn Luki, der bei ihrer Mutter lebt, und kümmert sich liebevoll um ihre Orchideensammlung. Obwohl Bolles Handeln in entscheidenden Momenten von der Sucht dominiert wird, vermitteln Zum Inhalt: Szenen voller Leichtigkeit immer wieder, dass zwischen ihm und Jenny auch in rauschfreien Momenten echte Anziehung herrscht. Trotz ihres Drogenkonsums in der Schwangerschaft und ihrer Straffälligkeit gelingt so ein vorurteilsfreier Blick auf die suchtkranke Frau und ihr Umfeld. Jennys Entscheidung, das Leben mit der Droge und mit Bolle hinter sich zu lassen, markiert einen Umbruch, der sich auch auf filmästhetischer Ebene widerspiegelt: Statt der grellen, bunten Farben ihrer Kleidung (Glossar: Zum Inhalt: Kostüm/Kostümbild), ihrer Gelnägel und Orchideen dominieren fortan kühle Grau- und Blautöne (Glossar: Zum Inhalt: Farbgestaltung) das Bild, die Handkamera (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) weicht zunehmend ruhigeren Zum Inhalt: Einstellungen. Bemerkenswert ist die realistische Darstellung der Geburt, für die Jenny aus der JVA in ein Krankenhaus gebracht wird. Die Szene entstand in Zusammenarbeit mit einem Double, das für Vena ihre Entbindung filmen ließ.
In den Fächern Politik und Gesellschaftswissenschaften sollten die Themenkomplexe (Drogen-)Sucht und Strafvollzug erarbeitet werden. Besonders Haftregelungen für (werdende) Mütter sowie Unterstützungsangebote für Frauen in schwierigen Lebenslagen können recherchiert werden. Die im Film vorkommenden Institutionen und Anlaufstellen bilden hierfür einen Ausgangspunkt. Im Deutschunterricht bietet sich eine Analyse der Figurenzeichnung und weiterer filmischer Gestaltungsmittel an, die den unvoreingenommenen Blick auf die Protagonistin ermöglichen. Wie tragen etwa Drehbuch und Kameraarbeit dazu bei, Empathie und Nähe zu Jenny zu erzeugen? Die Geburtsszene lädt zu einem Vergleich mit Zum Inhalt: Inszenierungen in anderen Filmen und Serien ein. Welche Darstellungen von Geburten kennen die Schüler/-innen und was könnte die Regisseurin dazu bewogen haben, in Vena mit einem Geburtsdouble zu arbeiten? Die titelgebende Vena umbilicalis, die Nabelvene, bietet zudem einen Anknüpfungspunkt für das Fach Biologie: Wie ist der Körper einer Schwangeren mit dem Fötus verbunden und wie wirken sich ihre Ernährung und ihr Konsum auf dessen Entwicklung aus?