Sie quatschen und trinken, sie streiten und helfen sich und sie gehen zusammen zum Fußball: Florian, Otto, Henning, Christian, Tamer und Mischa, alle gehen auf die 30 zu, sind eingefleischte Fans von
Eintracht Braunschweig. Kein Spiel lassen sie aus und sobald es abgepfiffen wird, geht der Spaß für sie bei rücksichtlosen Schlägereien mit Hooligans der gegnerischen Mannschaften weiter. Als Zeichen ihrer Freundschaft und ihre Loyalität zum Verein haben die jungen Männer die Zahlen "66/67", das einzige Spieljahr, in dem die
Eintracht Deutscher Meister wurde, als Branding über ihrem Herzen verewigt. Doch schon bald zeigt sich, dass hinter ihrem Fan- und Hooligan-Dasein die Sehnsucht nach Halt und Kontinuität steht. Kurz vor dem entscheidenden Spiel "der Löwen" gegen den Abstieg aus der dritten Liga, droht das fragile Gefüge aus Freundschaft und Loyalität zu brechen. Die sechs müssen sich entscheiden: zwischen ihrer bedingungslosen Treue zu ihrem Fanclub und dem realen Leben mit seinen Anforderungen.
Das Regie-Duo Ludwig und Glaser erzählt weniger eine Geschichte über Hooligans als eine
Coming-of-Age-Geschichte. Nur dass sich hier eine ganze Clique mit dem Erwachsenwerden auseinander setzen muss. Dabei verwebt
66/67 – Fairplay war gestern souverän die sechs verschiedenen Lebensläufe und nimmt sich die nötige Zeit für eine stimmige Charakterzeichnung der verschiedenen, zum Teil skurrilen Figuren. Die Gewalt-Exzesse in der Hooligan-Szene werden nicht beschönigt, aber auch nicht für billige Schaueffekte ausgebeutet. Solide und eher konventionell ins Bild gesetzt, wagt sich der Film aber auch vor in experimentell inszenierte Drogenfantasien oder betont mit einer
unruhigen Kamera die Orientierungslosigkeit seiner Protagonisten.
66/67 – Fairplay war gestern ist ein unterhaltsamer, aber auch einfühlsamer Einblick in eine Szene, die sonst nur sehr verzerrt, überschattet von Vorurteilen und Mystifizierungen, in der Öffentlichkeit registriert wird. Indem der Film Hooligans nicht nur als dumpfe Schläger darstellt, sondern als junge Männer auf der Suche nach Identität und Lebenssinn, wirft er viele diskussionswürdige Fragen auf, die direkt mit der Lebenswirklichkeit Jugendlicher im Zusammenhang stehen: Warum ist für viele Gewalt eine Flucht aus dem ernüchternden Alltag? Was unterscheidet Hooligans von Extrem-Sportlern, wenn beide nur nach dem nächsten Kick suchen? Wie weit kann man die eigene Jugend verlängern? Wie funktionieren Gruppenstrukturen und Machtgefüge? Und nicht zuletzt: Wann muss der Mensch Verantwortung übernehmen für sich und andere?
Autor/in: Thomas Winkler, 18.11.2009
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