An der kanadischen Grenze wird ein junger Mann von einem Zollbeamten festgehalten, weil er im Gepäck ominöse Filmbüchsen aus der Türkei mit sich führt. Sie sollen angeblich belichtetes Filmmaterial enthalten, das ein alter armenischer Filmregisseur aus Toronto für seinen neuen Film benötigt. Dieser möchte im Stil Hollywoods der Welt den seinerzeit von der Türkei abgestrittenen Völkermord an den Armeniern im Jahr 1915 vor Augen führen. Doch je mehr der junge Mann erzählt, desto größer werden auch die Zweifel des Zollbeamten an der Glaubwürdigkeit dieser Geschichte. – Ararat ist der vielleicht persönlichste, mit Sicherheit aber vielschichtigste Film im umfangreichen Werk des armenischstämmigen kanadischen Regisseurs Atom Egoyan. Über Zeit und Raum hinweg, mal eher sinnlich-anschaulich, dann wieder philosophisch-theoretisch, verknüpft er die Geschichte des Landes seiner Eltern und eines international fast in Vergessenheit geratenen Genozids mit dem Lebensplan zweier Familien, stellt auf diese Weise Reflexionen an über die Aufgaben des Lebens, über Moral und Identität, über das Erinnern und Vergessen sowie über die Rolle der Kunst in der Gesellschaft, die sich der Wahrheit nur mit künstlerischen Mitteln nähern kann. Kein einfacher Film also, der sich konsequent einfachen Antworten verweigert und sein Publikum zum Mitdenken auffordert.
Autor/in: Holger Twele, 01.01.2004