Nachdem die 13-jährige Ane bei einem Unfall mit einer chemischen Substanz ihr Augenlicht verloren hat, liegt die Hoffnung ihrer Eltern auf einer teuren und riskanten Operation in den USA. Doch Ane ist zunächst damit beschäftigt, mit ihrer neuen Situation zurecht zu kommen. Schmerzlich wird ihr bei einem Urlaub mit ihren Eltern am Meer bewusst, dass sie von Gleichaltrigen vielmehr als Last wahrgenommen wird. Nur Antonio, der Cousin ihres Vaters, begegnet ihr ohne Vorurteile und fordert sie sogar auf, trotz ihrer Blindheit zu fotografieren und sich weiterhin für ihre Umwelt zu öffnen. Und tatsächlich verändert sich Anes Wahrnehmung allmählich. Sie verliebt sich zum ersten Mal und erkennt auch, was sie selbst wirklich will.
Einfühlsam und vollkommen aus der Perspektive von Ane erzählt Maru Solores davon, wie ein Mädchen am Übergang vom Kind zur Jugendlichen die Welt und sich selbst neu entdecken muss. Die Erblindung wird dabei zu einer Metapher für diese Veränderungen und macht aus
Camera Obscura vor allem einen Coming-of-Age-Film. Denn am Anfang scheint Ane ihr neues Leben überaus fremd zu sein. Sie kann nicht mehr Geige spielen – und sie fühlt sich auch nicht mehr wohl in dem Badeanzug, während alle anderen Mädchen in ihrem Alter bereits Bikinis tragen. Zunehmend kommt es so zu Konflikten mit den Eltern, bei denen Ane sich den Freiraum erobern muss, der ihr nicht zugestanden wird.
Gerade die Entwicklung von Ane, die allmählich selbstbewusster wird und schließlich ganz genau weiß, wie sie leben möchte, kann als Ausgangspunkt für eine Besprechung des Films im Unterricht dienen. Dabei lohnt es sich, vor allem auch die symbolische Ebene jenseits der konkreten Situation von Ane herauszuarbeiten und zu analysieren, wie in
Camera Obscura der Wandel vom Kind zur Jugendlichen dargestellt wird. Im Fach Kunst bietet es sich unterdessen an, sich intensiver mit der sorgsamen Inszenierung zu beschäftigen, die die Bedeutung des Sehens und Hörens sehr klar durch die filmischen Mittel herausstellt. Während manche Bilder durch das Gegenlicht den Kontrast zwischen Hell und Dunkel noch verstärken, lösen bewusste Überbelichtungen bisweilen scharfe Konturen auf. Die Bedeutung des Hörens für Ane wiederum wird nicht nur durch die Tongestaltung, sondern auch durch Nahaufnahmen von Händen und Füßen verdeutlicht, wodurch Solores ihrem Film auch eine sehr sinnliche Qualität verleiht.
Autor/in: Stefan Stiletto, 28.11.2013
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