Der amerikanische Schriftsteller Truman Capote (1924-1984) war in den prüden 1950er Jahren etwa so berühmt und populär wie die heutigen Popstars, und das trotz seines extravaganten Lebensstils und der öffentlichen Bekenntnis zu seiner Homosexualität. Als Capote in der "New York Times" liest, dass zwei junge Männer offenbar ohne erkennbares Tatmotiv einen grausamen Mord an einer vierköpfigen Farmerfamilie in Holcomb, Kansas, begingen, ist er sogleich fasziniert von der unerklärlichen Tat und beschließt, sie zum Ausgangspunkt eines literarischen Experiments zu machen. Mit seinem neuen Roman
In Cold Blood (Kaltblütig) möchte er beweisen, dass ein ganz auf Tatsachen beruhendes Werk genauso spannend und künstlerisch herausragend geschrieben sein kann wie eine fiktive Geschichte. Zusammen mit seiner Jugendfreundin, der Schriftstellerin Nelle Harper Lee, recherchiert Capote detektivisch die Fakten, lernt schließlich die beiden Mörder Perry Smith und Richard Hickock kennen und entwickelt starkes Interesse an dem körperlich leicht behinderten Perry. Sechs zermürbende Jahre arbeitet Capote an seinem Buch, wird dabei alkohol- und tablettensüchtig und zerwirft sich am Ende gar mit Nelle. Perry hält er bis zu dessen Hinrichtung im Glauben, er könne ihm helfen. Doch für Capote ist Perry in erster Linie das Material für seinen Tatsachenroman, der kurz nach der Hinrichtung 1965 erscheint und zu einem sensationellen Erfolg wird. Für Capote sollte es zugleich sein letztes Buch werden.
Das Regiedebüt von Bennett Miller nach einem Drehbuch von Dan Futterman ist eine faszinierende biografische Annäherung an den Schriftsteller Truman Capote. Über eine Hommage an diese außergewöhnliche Persönlichkeit hinaus liefert der Film zugleich eine kritische Reflexion über einen künstlerischen Schaffensprozess, der zwar literarisch von glänzendem Erfolg gekrönt war, aber auch das Scheitern des Künstlers als Mensch markiert. Unweigerlich stellt sich also die zeitlose aktuelle Frage, ob für Kunstschaffende andere Gesetze gelten dürfen, ob für sie alle Mittel erlaubt sind, wenn sie nur den künstlerischen Zweck heiligen. Die gleiche kritische Distanz nimmt der Film auch zur Todesstrafe und der Art und Weise ein, wie sie in den USA als halböffentliches Ereignis vollzogen wird. Philip Seymour Hoffman spielt den verschrobenen, hypersensiblen und doch auch skrupellos agierenden Capote mit einer solchen Intensität, dass man ihn gar nicht mehr als Schauspieler wahrnimmt, sondern als eine authentische Person.
Autor/in: Holger Twele, 23.10.2006