Im Windschatten von Alexander , dem spektakulären Historienepos von Oliver Stone, gelangt nun auch Comandante , ein facettenreiches Porträt des kubanischen Revolutionsführers Fidel Castro, mit fast zweijähriger Verspätung in die hiesigen Kinos. Er entstand auf der Grundlage ausführlicher Gespräche zwischen Stone und Castro, die sich über ca. 30 Stunden erstreckten. Ohne auf Änderungen zu bestehen gab Castro den 99-minütigen Zusammenschnitt frei. Allein diese Tatsache legt nahe, dass der Filmemacher mit dem umstrittenen Staatschef recht behutsam umgegangen sein muss; eine wechselseitige Sympathie zwischen beiden lässt sich auch kaum übersehen. Zwar stellt Stone dem altgedienten Politprofi durchaus heikle Fragen, etwa zu seinem Verhalten in der Kubakrise, seinem Verhältnis zu Che Guevara oder zum Wahlsystem in Kuba, er hakt aber nie nach, wenn Castro ausweichende Antworten gibt. Gleichwohl erhalten die Zuschauenden viele Hintergrundinformationen, etwa über den Aufstieg Castros zur Macht, seine Begegnungen mit Politgrößen wie Nixon und Chruschtschow oder die Errungenschaften des kubanischen Gesundheits- und Bildungssystems. Aufschlussreich sind auch manche Einschätzungen der weltpolitischen Lage, die natürlich konträr zur Darstellung der "feindlichen" Supermacht USA ausfallen, die seit 1960 ein Wirtschaftsembargo gegen das sozialistische Regime aufrecht erhalten. Gefördert von der geradezu vertraulichen Gesprächsatmosphäre offenbart Castro auch Privates wie seine Bewunderung für Sophia Loren, seine 'Bürosport'-Gewohnheiten oder dass er Titanic nur auf Video sehen konnte. Leider bebildert der Filmmagier Stone die Interview-Passagen mit zahllosen Wochenschau-Ausschnitten und Reise-Impressionen in so rasanter Folge, dass die Aufmerksamkeit des Publikums sich rasch zerstreut. Getrübt wird das Kinoerlebnis zudem durch eine extrem unruhige Kamera und zu schnelle Untertitel, die sich auch wegen der hohen Schnittfrequenz nur mühsam lesen lassen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.01.2005