Ihr Vater war ein englischer Aristokrat, ihre Mutter eine afrikanische Sklavin: Dido Elizabeth Belle (1761-1804), die erste schwarze Adlige Großbritanniens. Der gleichnamige Film beginnt 1769, als Lord und Lady Mansfield die Tochter ihres Neffen bei sich aufnehmen. Fortan genießt das Mädchen ein privilegiertes Leben, doch wegen ihrer Hautfarbe gilt Dido nicht als gleichwertig: Eine Schwarze am Dinnertisch? Undenkbar! Ebenso unwahrscheinlich ist für sie eine standesgemäße Heirat und damit ein gesichertes Leben als Ehefrau. Erst eine Erbschaft macht sie zur guten Partie. Als sie den leidenschaftlichen Gegner der Sklaverei John Davinier kennenlernt und ihr Ziehvater als oberster Richter des Landes über ein Massaker auf dem Sklavenschiff Zong urteilen muss, beginnt Dido ihre gesellschaftliche Stellung als Frau und als Schwarze zu hinterfragen und ein eigenes Selbstverständnis zu entwickeln.
Eine Frau zwischen zwei Männern und die Frage, ob sie ihrem Herzen oder ihrem Verstand folgen soll. Auf den ersten Blick erscheint
Dido Elizabeth Belle wie eine Jane-Austen-Verfilmung. Auch in formaler Hinsicht, denn Amma Asante hat ein konventionelles
Kostümdrama mit prächtiger Ausstattung und großen Gefühlen inszeniert. Allerdings erzählt sie innerhalb dieses Rahmens auch von Sklaverei und Diskriminierung, wobei die Charaktere jeweils verschiedene Haltungen hierzu verkörpern. Die stets sympathisch gezeichnete Titelfigur steht dabei für die Opfer von Rassismus und wird zur Anklägerin der Sklaverei, zu dessen Abschaffung in England sie schließlich beiträgt – eine von vielen dramaturgischen Freiheiten, die sich der Film in historischer Hinsicht erlaubt.
Dido Elizabeth Belle ist somit weniger
Biografie, als vielmehr fiktionales Drama, das reale Ereignisse und Personen als Folie benutzt, um eine Emanzipationsgeschichte zu erzählen.
Der Film ist ein guter Ausgangspunkt, um sich mit der Geschichte des Sklavenhandels zu beschäftigen sowie mit der Frage, wie Menschen afrikanischer Herkunft im England des 18. Jahrhunderts lebten (und wie sie dort heute leben). Darüber hinaus empfiehlt es sich, Lebensdaten und Wirken von Dido Elizabeth Belle, Lord Mansfield und anderen im Film dargestellten historischen Persönlichkeiten zu recherchieren, Abweichungen festzuhalten und zu überlegen, welche dramaturgische Funktionen sie im Film übernehmen. Eine spannende Frage ist ferner die nach dem Wert eines Menschen: Die Sklaven werden als Ware begriffen. Aber auch die (weißen) Frauen haben – auf dem Heiratsmarkt – einen Wert, der für sie zukunftsweisend ist. Im Fach Kunst kann das Originalporträt von Dido und ihrer Kusine, das als Inspirationsquelle für den Film diente, analysiert werden. Dabei sollte auch untersucht werden, wie farbige Menschen in der europäischen Malerei jener Zeit dargestellt wurden.

Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Kirsten Taylor, 14.08.2014, Vision Kino 2014.
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