In Montréal wohnt der 40-jährige Philippe noch immer in der Wohnung seiner Eltern. Er ist intelligent, sensibel, witzig und er träumt von der Raumfahrt. Seine Doktorarbeit ist mehrfach abgelehnt worden und zum Broterwerb jobbt er in einem Call Center. Im bürgerlichen Leben ist Philippe also ein Versager. Ganz anders sein Bruder André, ein oberflächlicher, schwuler Erfolgsmensch, der im Fernsehen die Wettervorhersage moderiert. Nach dem Tod der schwerkranken Mutter gerät Philippe vollends durcheinander, selbst die Betreuung ihres Goldfischs Beethoven wird zur Belastung. Als Philippe dank seiner kruden Theorien zu einer Fachtagung nach Moskau eingeladen wird, verpasst er die Konferenz, weil er vergessen hat, die Uhr umzustellen. Die Entdeckung, dass die verzweifelte Mutter sich selbst von ihrem unheilbaren Leiden erlöst hat, führt in einem langen Telefonat zu einer versöhnlichen Aussprache mit André.
Für seinen fünften Film verfilmte der kanadische Bühnen- und Filmregisseur, Autor und Schauspieler Robert Lepage mit sich selbst in einer Doppelhauptrolle sein gleichnamiges Bühnenstück. Die eloquenten Bühnendialoge und kammerspielartigen Sets reicherte er mit fantastischen Einfällen und faszinierenden Bildfolgen an, wobei sich Gegenwart und Vergangenheit, Realität und Fantasie oft kunstvoll verschränken. Der frühere Weltraum-Wettlauf zwischen Sowjets und Amerikanern spiegelt sich in kuriosen Parallelen im Konflikt zwischen den Brüdern. Zu den stärksten Szenen der stilsicheren Inszenierung gehört eine Fantasie von Philippe als Junge: Die Kamera, die seinem Blick folgt, entdeckt im Bauch seiner schwangeren Mutter nicht den Fötus des Bruders, sondern einen im All schwebenden Kosmonauten. Lepage fügt schrullige Charaktere und fantastische Bildmetaphern mit einem nostalgischen Erzählton zu einer sensiblen Charakterstudie, der er mit einer glänzenden Leistung als Darsteller beider Brüder ein Glanzlicht aufsetzt. Kleinere Längen und Abschweifungen lassen sich da leicht verschmerzen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 18.10.2006