Seit geraumer Zeit schon häufen sich die Anzeichen, dass das Gleichgewicht der Welt gestört ist. Die Menschen leiden unter einer Hitzewelle, die Strände sind gesäumt von zerborstenen Schiffswracks und nun tauchen auch die Drachen wieder in der Menschenwelt auf, die sie zuvor gemieden haben. Auf der Suche nach der Ursache für diese bedrohlichen Veränderungen stößt der Erzmagier Sperber auf den Königssohn Arren. Getrieben von einer unsichtbaren dunklen Macht hatte der 17-jährige Prinz zuvor seinen Vater ermordet und ist nun verängstigt auf der Flucht. Doch in Sperber hat er einen Begleiter und Beschützer gefunden, der nicht nach Gründen fragt. Auf dem Hof der Priesterin Tenar finden Sperber und Arren Zuflucht und lernen das Mädchen Therru kennen. Während Therru Arren meidet, weil er ihr unheimlich ist, versucht der Magier Cob den Prinzen für seine Zwecke zu manipulieren. Er braucht die Hilfe des Jungen, um ein mystisches Tor zwischen dem Reich der Lebenden und der Toten zu öffnen.
Mit der Adaption der bekannten
Erdsee-Romane der amerikanischen Autorin Ursula K. Le Guin wagt sich Goro Miyazaki, Sohn des berühmten japanischen Anime-Regisseurs Hayao Miyazaki, mit seinem Debütfilm in eine komplexe Fantasywelt. Miyazaki beschränkt die umfangreiche literarische Vorlage auf einzelne Figuren und Erzählstränge. Dennoch droht die Vielzahl anspruchsvoller Themen – Schuld und Vergebung, Gut und Böse, die Angst vor dem Tod oder der Sinn des Sterbens – die mythische Geschichte etwas zu überfrachten. Auch irritiert der episch angelegte Film bisweilen durch einen sprunghaften Erzählstil. Die vielschichtig angelegten Charaktere aber, allen voran der Jugendliche Arren, der verzweifelt nach Orientierung und Identität sucht, vermitteln diese Konflikte nachvollziehbar als Teil ihrer Erfahrungswelt. Dadurch bietet der Film insbesondere für den Ethikunterricht eine inspirierende Diskussionsgrundlage. Zudem findet die filmische Umsetzung des überwiegend klassisch gezeichneten Animes eine ausgewogene Balance zwischen actiongeladenen und ruhigen Szenen, die eine innere Befindlichkeit der Figuren widerspiegeln. Entsprechend können auch jüngere Zuschauende den vielfältigen Geschehnissen folgen. Wenn Arren und Sperber auf dem Feld arbeiten, dann inszeniert Miyazaki diesen Einklang zwischen Mensch und Umwelt – ein traditionelles Thema vieler Animes – in seinen detaillierten Zeichnungen so anschaulich, dass es keiner Worte mehr bedarf.
Autor/in: Stefan Stiletto, 07.11.2007
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