China in den 1980er-Jahren: Die 20-jährige Li möchte bei dem berühmten Botanik-Lehrer Chen, der als Witwer mit seiner Tochter An auf einer prachtvollen Pflanzen-Insel lebt, ein Praktikum absolvieren. Während die junge Studentin auf einen autoritär-herrschsüchtigen Lehrer trifft, entwickelt sich zu der sympathischen Tochter eine verschwiegene Beziehung voller erotischer Anziehung und leidenschaftlicher Liebe. Doch diese Gemeinschaft ist außerhalb der legitimen Ehe von Mann und Frau tabu. Als Ans unverheirateter, nicht gerade attraktiver Bruder Dan, ein Soldat im fernen Tibet, zu Besuch auf Heimaturlaub weilt, scheint sich durch dessen Heirat mit Li eine familiengerechte "Lösung" abzuzeichnen, die sich jedoch zum Drama entwickelt...
Ein Zeitungsbericht über zwei in China hingerichtete homosexuelle Frauen dient als Aufhänger für eine im Weiteren fiktiv erzählte, ebenso romantische wie dramatische Liebesgeschichte. Weil Dai Sijie in China keine Drehgenehmigung erhielt, musste er auf Schauplätze in Vietnam ausweichen. Wie in Balzac und die kleine chinesische Schneiderin (2002), dem Vorgängerfilm des in Frankreich lebenden Regisseurs, entfalten sich Poesie und Zauber des Fremden durch eine Parabel, die sinnlich, nicht jedoch voyeuristisch, von "verbotenem" Begehren erzählt. Das vom Film evozierte Universum aus phantastischer Landschaft und beseelter Natur, die Beschwörung der inspirierenden und heilenden Kräfte des botanischen Gartens, die Beredsamkeit von Blicken und Bewegungen der Liebenden erscheinen dabei im Kontrast zu den unerbittlich harten Moralgesetzen, wie sie von Dai Sijies chinesischem Pater familias repräsentiert werden.
Gerade für Jugendliche dürften der dramatische Konflikt um eine emotional berührende gleichgeschlechtliche Liebe und das damit verbundene Verständnis von Geschlechterrollen und Identität im Zentrum stehen. Dabei lässt sich das Spezifische am Sujet dieser "verbotenen Liebe" und ihrer existentiellen Folgen aus der interkulturellen Perspektive, insbesondere auch im Vergleich mit themenverwandten "westlichen" Filmen, erschließen. Auf der Grundlage zusätzlicher Informationen bedarf es dazu eines Einlassens auf Sprache, Poesie und Erzählweise des Films; dann lassen sich auch die reichhaltigen, oftmals nur angedeuteten Zeichen und Symbole zum Verständnis von Natur, Spiritualität und einer Gesellschaft zwischen Tradition und Moderne entschlüsseln.
Autor/in: Reinhard Middel, 27.06.2007