Der siebenteilige Romanzyklus "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" des französischen Schriftstellers Marcel Proust gilt als ein Meilenstein der Weltliteratur des 20. Jahrhunderts. Nach gescheiterten Versuchen anderer Regisseure hat der in Paris lebende Exil-Chilene Raúl Ruiz den letzten Roman des Zyklus verfilmt. Die gut zweieinhalbstündige Adaptation zeichnet ein ebenso detailreiches wie kritisches Panorama der Pariser Aristokratie zwischen 1914 bis 1928. Im Mittelpunkt steht der alte Proust, der sich auf dem Sterbebett an zentrale Episoden seines Lebens in den Jahren 1914, 1916 und 1928 erinnert. Dabei werden drei Erzählstränge durch Rückblenden in die Kindheit und Jugend des Ich-Erzählers Marcel miteinander verbunden, der mehr Beobachter als Akteur ist. – Eine Riege von Kinostars macht das opulent ausgestattete Salondrama zu einer Augenweide für Cineasten und die Liebhaber anspruchsvoller Literatur. Wer sich auf den gemächlichen Erzählfluss, die frappierenden Bildkompositionen und die zuweilen surrealistisch anmutende Metaphorik der dialoglastigen Inszenierung einlässt, lernt die Welt mit den scharfen Augen eines übersensibilisierten Autors zu schauen. Das ist eine radikale, weil extrem subjektive Weltsicht und damit zugleich eine, die zum Widerspruch und zur eigenen Analyse reizt.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.01.2001