Überraschend heiratet John, ein Engländer aus bestem Haus, Ende der 1920-er Jahre die US-amerikanische Rennfahrerin Larita. Als das Paar im ländlichen Familienanwesen eintrifft, kommt es gleich zu Querelen: Johns Mutter, eine dünkelhafte, vom Leben frustrierte Matriarchin, und seine eifersüchtigen Schwestern kämpfen zunächst verdeckt, dann mit offenem Visier gegen die lebensfrohe Amerikanerin. Während John sich den familiären Konflikten entzieht, hält sein Vater, ein zynischer Kriegsheimkehrer, zur Schwiegertochter. Nach einer boshaften Enthüllung aus ihrer Vergangenheit räumt sie das Feld. Doch in der Familie wird nichts mehr sein wie zuvor.
Die Komödie basiert auf einem Theaterstück des britischen Schriftstellers Noël Coward aus den 1920er-Jahren. Der australische Regisseur Stephan Elliott macht Larita zu einer sympathischeren Figur als im Original. Die Abenteuerin wirkt wie ein frischer Windstoß im Mief der verarmten Upper-Class-Familie, in der Oscarpreisträgerin Kristin Scott Thomas als verhärmte Haustyrannin verbissen den Status zu wahren sucht. Nur durch Kerzen und natürliches
Licht ausgeleuchtet, erinnern die Bilder an die Ästhetik von
Barry Lyndon (Stanley Kubrick, Großbritannien 1975). Doch durch die lebhafte
Montage, welche den abgeschabten Prunk der Interieurs in ironischen
Detailbeobachtungen fragmentiert, wird die gemäldehafte Starre à la Kubrick immer wieder ironisch gebrochen. Der mitreißende
Soundtrack untermalt mit Klassikern der "Roaring Twenties" wie Cole Porters
Let’s Misbehave und modernen Popsongs wie When
the Going gets Rough von Billy Ocean illustriert die widerstreitenden Gefühle Laritas. Neben manch überraschender Situationskomik unterhält das starbesetzte Sittengemälde besonders durch geschliffene Dialoge und bissige Bonmots.
Der Film spielt Ende der 1920er-Jahre, einer Umbruchzeit, in der infolge des Ersten Weltkriegs Moral, Klassenbewusstsein und Geschlechterkonventionen in Europa grundlegend erschüttert wurden.
Easy Virtue dramatisiert diese Konflikte durch den Kontrast der traditionsgebundenen englischen Familie und der freigeistigen Amerikanerin. Davon ausgehend, lassen sich im Unterricht Themen wie die Ablösung konservativer Familientraditionen durch einen neuen Liberalismus, Generationenkonflikte und das Aufeinandertreffen verschiedener Wertvorstellungen Anfang des 20. Jahrhunderts diskutieren. Durch die Konzentration auf zwei starke weibliche Persönlichkeiten und die Porträts der beiden Schwestern regt er zudem zur Reflektion über historische und moderne Frauenbilder sowie weibliche Rollenerwartungen an.
Autor/in: Birgit Roschy, 22.06.2010
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