Die 13-jährige Johanna weiß nicht, was sie fühlen soll, als sie das Auto ihres Vaters wieder vor der Wohnung sieht. Während ihre jüngere Schwester Moni überglücklich ist, zweifelt Johanna. Zu oft schon hatte sie daran geglaubt, dass ihr Vater endlich aufhören würde, ihre Mutter zu schlagen. Und zu oft schon wurde sie enttäuscht. Nun, nach einer längeren Therapie, bittet er um eine erneute Chance – und die Mutter lässt ihn wieder einziehen. Doch schon nach wenigen Tagen ist alle Hoffnung dahin. Mit lauter Musik versucht Johanna, die Schreie ihrer Mutter unhörbar zu machen und auch Moni zu schützen, als der Vater wieder einmal seine Aggression nicht unter Kontrolle hat. Nach außen hin hält Johanna das Bild der heilen Familie aufrecht. Indem sie das Geheimnis mit Lügen und Ausreden wahren will, gefährdet sie sogar ihre Freundschaft zu Christian, mit dem sie seit kurzem zusammen ist.
In eindringlichen
ruhigen Kameraeinstellungen und mit einer nüchternen Inszenierung zeigt Kirsi Marie Liimatainen, wie der Zusammenhalt einer Familie durch seine Geschlossenheit zu einer Gefahr für ihre Mitglieder geworden ist. Johannas Mutter schämt sich für ihre Situation und fühlt sich vielleicht sogar dafür verantwortlich, Johanna selbst und ihre jüngere Schwester haben Angst, dass die Familie auseinander gerissen wird, wenn die verheerenden Wutausbrüche ihres Vaters an die Öffentlichkeit kommen. So schließt sich ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gibt und in dem jedes Hilfsangebot von außen als Angriff auf die Familie wahrgenommen wird, der abgewehrt werden muss.
Festung verzichtet darauf, Gewalt direkt zu zeigen, macht sie jedoch im
Off hörbar und zeigt die Folgen. Dass Johannas Vater dabei niemals nur als Monster inszeniert wird, macht den Film umso bedrückender und realistischer. Gerade dadurch überträgt sich das Gefühlschaos aus Hoffnung, Liebe und Hass von Johanna, aus deren
Perspektive die Geschichte erzählt wird, auf das Publikum und regt zur Auseinandersetzung mit dem Tabuthema familiäre Gewalt an. Dabei können zum einen die Rollen von Tätern/innen und Opfern besprochen werden, zum anderen aber auch, welche Hilfsmöglichkeiten es geben kann. Der Film bietet in dieser Hinsicht keine Lösung an – und verschärft auch dadurch die Brisanz dieses Themas.
Autor/in: Stefan Stiletto, 21.11.2012
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9 Leben (Filmbesprechung vom 18.05.2011)
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