Der Film erzählt die Geschichten von fünf jungen Afghanen: Nazanin, eine junge Radioreporterin, kämpft leidenschaftlich für die Gleichberechtigung – und trägt dennoch eine Burka. Hasib arbeitet als Wahlbeobachter, um die Demokratisierung zu unterstützen, an deren Realisierung er allmählich selbst zu zweifeln beginnt. Regisseur Ghulam, ein Paradiesvogel im knallbunten Seidenhemd, dreht zusammen mit der Bloggerin Khatera einen Spielfilm. Der zehnjährige Mirwais schließlich verdient sein Geld als Schuhputzer und redet über Krieg und Frieden wie ein Erwachsener. Sie sind fünf Vertreter einer Generation, die sich nach Normalität sehnt, aber bei jedem Schritt merkt, wie sehr sie der Krieg behindert und einschränkt: Ein Krieg, der nicht ihr eigener ist, sondern ein Krieg des Westens mit den Taliban – ein Krieg der anderen.
Regisseur Martin Gerner ist mit Afghanistan vertraut, er berichtete als Journalist aus der Gegend, spricht die Landessprache und bildet seit Jahren vor Ort Journalisten/innen aus. Sein Film bleibt auf Augenhöhe mit den Protagonisten/innen, die nicht nur als Stichwortgeber für westliche „Experten/innen“ benutzt werden, sondern im Mittelpunkt stehen. Durch die Arbeit mit lokalen Kameraleuten ist Gerner den Menschen sehr nahe gekommen. Die bewegte
Handkamera blickt in offene Gesichter. Der Film zeigt ein Stück Alltag im Ausnahmezustand. Probleme und Unsicherheiten beim Dreh wurden ganz bewusst thematisiert. Wenn eine Gesprächspartnerin plötzlich nicht mehr offen sprechen will, weil ihr Mann das ablehnt, dann bleibt dieser Moment des Zweifels sichtbar. Auf diese Weise wird deutlich, wie viel Kraft es die Menschen kostet, sich mitten im Krieg, in einer Atmosphäre der Unsicherheit und der alltäglichen Gewalt, einem fremdem Blick zu öffnen.
Generation Kunduz – Der Krieg der Anderen vermittelt einen authentischen Eindruck vom Leben und Alltag der Menschen im heutigen Afghanistan. Dabei stellt Gerner nicht die Legitimität des Krieges, sondern seine ambivalenten Folgen für die Bevölkerung in den Fokus und bietet auch damit spannende Anknüpfungspunkte für den Politik- oder Sozialkundeunterricht. Ein Vergleich mit der aktuellen Berichterstattung ermöglicht die Diskussion über die Frage, wie Medien Realität produzieren. Indem das ganz alltägliche Leben in Afghanistan gezeigt wird, rücken eigene Vorurteile (beispielsweise über Burkaträgerinnen oder Straßenkinder) in den Blick und können im Ethikunterricht reflektiert und bewusst gemacht werden. Tatsächlich unterscheiden sich die Träume der „Generation Kunduz“ kaum von denen gleichaltriger Europäer, wohl aber der Weg, den sie zurücklegen werden müssen, um ihre Träume zu verwirklichen.
Autor/in: Luc-Carolin Ziemann, 13.03.2012
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