In nicht allzu ferner Zukunft haben Sonnenwinde Mitteleuropa in eine ausgedörrte Steppe verwandelt. Die gesellschaftliche Ordnung ist zusammengebrochen und hat dem erbarmungslosen Kampf ums Überleben Platz gemacht. Auf dem Weg in die Berge, wo sie letzte Wasserquellen vermuten, geraten Marie, ihre jüngere Schwester Leonie, ihr Gefährte Phillip sowie Tom, der sich ihnen unterwegs angeschlossen hat, in die Falle einer kannibalistischen Großfamilie. Leonie und Tom werden verschleppt, und Marie muss den verletzten Phillip zurücklassen, um sie zu befreien.
Mit seinem Spielfilmdebüt wagt sich Tim Fehlbaum auf eine Hollywood-Domäne, den post-apokalyptischen Film.
Hell rückt dessen – zuletzt wieder in John Hillcoats
The Road (USA 2009) – beschworene Bedrohung näher ans deutsche Publikum heran. Ein entscheidendes Stilmittel ist dabei die Verfremdung vertrauter Landschaften und Schauplätze durch die Nachbearbeitung des Filmmaterials. Indem den
Farben die Sättigung entzogen wird, erscheint die Welt gespenstisch bleich. Hinzu kommen klassische Stilelemente des Horrorgenres wie die subjektive
Kameraperspektive, bei der die Kamera den Blick des unsichtbaren "Jägers" auf sein ahnungsloses Opfer übernimmt; im Schlachhaus der Kannibalen zitiert Fehlbaum schließlich auch Schockmomente des Splatterfilms.
In der filmpädagogischen Besprechung des Films, die angesichts einiger harter Szenen unabdingbar ist, bietet der Charakter der vorgestellten quasi-familiären Notgemeinschaften gute Anknüpfungspunkte für eine Diskussion möglicher gesellschaftlicher und zwischenmenschlicher Konsequenzen einer Naturkatastrophe. Da Fehlmanns Film seinen Titel nicht zuletzt durch den religiösen Wahn rechtfertigt, in dem ausgerechnet die Kannibalen Trost und Zuflucht finden, eröffnet sich hier ein ungewöhnlicher Gesprächsanlass über die Pervertierung des (christlichen) Glaubens in Extremsituationen. Als filmästhetische Alternative lohnt ein stilistischer und inhaltlicher Vergleich mit Klassikern des Horror- und Katastrophengenres wie
Das letzte Ufer (On the Beach, Stanley Kramer, USA 1959),
Die Nacht der lebenden Toten (Night of the Living Dead, George A. Romero, USA 1968) oder
Children of Men (Alfonso Cuarón, USA 2006).
Autor/in: Michael Kohler, 21.09.2011
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