Einen Monat lang hat Andreas Dresen den CDU-Politiker Henryk Wichmann in der heißen Phase des Wahlkampfs vor den Bundestagswahlen 2002 begleitet. Herausgekommen ist eine brillante Realsatire, die den absurden Kampf um Wählerstimmen inmitten einer weitgehend desillusionierten Gesellschaft zeigt. Denn Wichmann, der als Direktkandidat im entlegenen Nordosten Brandenburgs Infostände organisiert, Passanten zu motivieren sucht, Broschüren verteilt und Altenheime besucht, weiß keine Antworten auf die Sorgen und Ängste der Menschen, die sich einem Dialog mit ihm öffnen: Arbeitslosigkeit, zusammenbrechende Märkte, Zuwanderung und Politikverdrossenheit. Gleichwohl ist der gelernte Jurist davon überzeugt, alle wirtschaftlichen Probleme in den Griff zu bekommen. Diese Selbstgewissheit macht den erst 25-Jährigen, der mit seiner schwangeren Freundin betont familienfreundlich für Werbeaufnahmen posiert, zu einer tragikomischen Figur. Beharrlich verteidigt er seine Absichten, gegen die vermeintliche Dominanz des Naturschutzes vorzugehen, die zerschundene Autobahn zu erneuern, Investoren anzulocken und die Abwanderung der Jugend zu stoppen. Dabei haut Dresen seinen Protagonisten keineswegs in die Pfanne. Die Drehkonditionen waren überaus fair und Wichmann war auch sein eigener Regisseur. Er konnte immer entscheiden, ob er gefilmt werden wollte oder nicht. Dass er von einem solchen Einspruchsrecht kaum Gebrauch gemacht hat, macht ihn auf eine entwaffnende Art sympathisch. Unangenehm fällt der Politiker lediglich auf, wenn er hinter vorgehaltener Hand vertraulich über "die Ausländer" spricht, um sich den Menschen populistisch anzudienen, oder wenn er billige Häme über seine politischen Gegner ausschüttet.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.04.2003