Irgendwo im italienischen Apulien im Sommer 1978 auf dem Lande: Der neunjährige Michele scheint nicht so mutig und waghalsig wie seine Spielkameraden. Allein auf sich gestellt, entdeckt er eines Tages ein gekidnapptes Kind in einem Erdloch, das von der langen Dunkelheit total verängstigt und halb blind geworden ist. Hin- und hergerissen zwischen Neugier und Entsetzen weiß Michele zunächst nicht, wie er sich diesem Kind gegenüber verhalten soll. Gleichwohl fühlt er deutlich, dass es nicht rechtens sein kann, ein Kind auf diese Weise behandeln. Als er schließlich erkennen muss, dass die erwachsenen Bezugspersonen um ihn herum und sogar seine Eltern alle in dieses Verbrechen verwickelt sind, stellt ihn das vor eine schwere Entscheidung: Soll er seinem Gewissen folgen und den fremden Jungen wie versprochen retten, auch wenn das gegen den Willen seiner Eltern wäre? – Gabriele Salvatores filmisch bemerkenswerter Film entwickelte sich schnell zum Außenseiterfavoriten im Wettbewerb der Berlinale 2003. Konsequent bezieht der Film die apulische Landschaft in sein dramaturgisches Konzept ein, spielt zum überwiegenden Teil inmitten endloser Weizenfelder, deren Ähren in der sommerlichen Glut flirren oder sich sanft im Wind wiegen. Diese monotone und gleichzeitig ästhetisch sehr reizvolle Gegend ist Abenteuerspielplatz und innerer Spiegel der Gemütslagen des Jungen, der mit seinen Eltern in ärmlichen Verhältnissen lebt. Die Entführung des Industriellensohns soll diese Misere beenden. In symbolkräftigen und poetischen Bildern handelt der Thriller vom Mut der beiden Kinder, die durch die Starrheit der Erwachsenen vor eine schier unlösbare Aufgabe gestellt werden und gleichsam über sich selbst hinaus wachsen müssen.
Autor/in: Holger Twele, 01.12.2003