Der 8-jährige Srulik flüchtet im Sommer 1942 aus dem Warschauer Ghetto. Er versteckt sich in einem riesigen Waldgebiet und trifft dort auf weitere jüdische Kinder, die ihn das Überleben lehren. Gejagt von deutschen Soldaten und polnischen Kopfgeldjägern bleibt Srulik bald allein zurück und kämpft mit der Wildnis und der Einsamkeit. Im Winter kann er bei einer polnischen Bäuerin unterschlüpfen, die ihm zum Abschied beibringt, sich als katholische Waise auszugeben. Fortan schlägt er sich als "Jurek" durch und findet nach vielen tragischen Wendungen ein neues Zuhause bei einer katholischen Familie. Doch nach dem Kriegsende stellt sich die Frage nach seiner Identität erneut.
Lauf, Junge, lauf! basiert auf dem gleichnamigen Jugendbuch von Uri Orlev, das von der Kindheit des später nach Israel ausgewanderten Yoram Fridman erzählt. Akribisch um Authentizität bemüht, vermeidet die
Verfilmung von Regisseur Pepe Danquart jedes falsche Pathos. Er zeigt die die Gräuel der Judenverfolgung und Kriegsjahre aus der Perspektive des Kindes. Wie bei einem Abenteuerfilm folgen auf Actionszenen ruhige Sequenzen, etwa wenn der Junge den Wald und die Natur als Verbündete erlebt.
Rückblenden zeigen eine unbeschwerte Kindheit und halten die Erinnerung an die verlorene Familie lebendig. Dokumentaraufnahmen führen am Ende des Films zu dem 81-jährigen Yoram Fridman nach Tel Aviv. Allein die allzu dramatisch eingesetzte
Filmmusik erscheint als Manko.
Filmausschnitt "Lauf, Junge, lauf!", © NFP
Lauf, Junge, lauf! stellt sich auf den ersten Blick als kindliches Heldendrama dar, das geschichtliche Fakten nur skizziert. Informationen zum Holocaust, zur deutschen Besatzung Polens und zur Rolle Russlands sollten im Unterricht vorab vermittelt werden. Spannend ist die differenzierte Sicht des Films auf die polnische Bevölkerung und die Partisanen/innen, die nicht frei von Antisemitismus waren. Auf zweiter Ebene fächert Pepe Danquart Sruliks Identitätskonflikte auf: Der Vater schärft Srulik ein, alles zu vergessen, aber nie, dass er ein Jude ist. Doch kann das Kind noch nicht ermessen, was ihm sein Jüdischsein bedeutet. Ebenso unbedarft lernt es das "Vater-Unser", um damit eine warme Mahlzeit zu erbetteln. Die Hinterfragung einer durch Religion definierten Identität lohnt sich daher für den Religions- und Ethikunterricht, ebenso wie die Entwicklung Sruliks, der sich seine Kindlichkeit trotz aller Widrigkeiten bewahren kann. Kann sie ihm angesichts der menschlichen Verrohung beim Überleben helfen oder bringt sie ihn immer wieder in Schwierigkeiten? Nicht zuletzt kann anhand des Films auch über Zivilcourage und Menschlichkeit gesprochen werden.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 14.04.2014
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.