Der siebenjährige Lepel aus den Niederlanden lebt bei seiner raffgierigen und konsumsüchtigen Großmutter Koppenol und muss in ihrem Laden Knöpfe sortieren. Auch der ehrgeizige Mathematiklehrer lässt ihn nicht in Ruhe, denn der Junge mit dem seltsamen Namen ist genial im Kopfrechnen. Eines Abends wird Lepel aus Versehen in einem Kaufhaus eingeschlossen. Dort trifft er die elfjährige Pleun, die von ihren Eltern weggelaufen ist. Tagsüber schlafen beide in einem hohen Regal mit Pullovern, abends durchstreifen sie das leere Kaufhaus und spielen. Doch Lepel sehnt sich nach seinen Eltern, die angeblich mit einem Heißluftballon um die Welt reisen. Als die Kinder erfahren, dass Lepels Eltern schon seit langem tot sind, hilft Pleun bei der Suche nach einer Ersatzmutter für Lepel. Broer, die strenge Managerin des Kaufhauses, wäre genau die Richtige, aber sie hält sich für ungeeignet. Aber es gibt auch noch den schüchternen Verkäufer Max. – Regisseur Willem van de Sande Bakhuyzen erzählt mit viel Charme, Fantasie und Humor, wie der einsame Junge und die weggelaufene Göre sich gegenseitig in ihrer Notlage stützen und ihr Schicksal in die Hand nehmen. Obwohl der Film in den Niederlanden spielt, wurde er in Gera, Leipzig und Weimar gedreht. Die oft menschenleeren Straßen ohne irgendwelche Hinweisschilder verleihen den Szenerien einen zeitlosen Charakter, der den märchenhaften Erzählton unterstreicht. Zugleich hat die Drehbuchautorin Mieke de Jong eine Reihe von Problemen in das Skript gepackt: von der Ausbeutung von Kindern über zerfallene Familien bis zu unerfüllter Liebe. Charmant umgesetzt ist vor allem die Variation der üblichen Rollenmuster von Männern und Frauen, denn der nette Max fungiert hier fast schon als Ersatzmutter. Leider verfällt Bakhuyzen bei der Zeichnung einiger Nebenfiguren in eine unnötige Schwarzweißmalerei, die den Gesamteindruck etwas mindert. Lepel wurde auf dem Filmfestival in Kristiansand 2005 als Bester Film im Hauptprogramm ausgezeichnet und gewann im gleichen Jahr beim Festival "Goldener Spatz" den Preis des MDR-Rundfunkrates für das beste Drehbuch.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.10.2005