Unterwegs zum Markt lässt Pferdehändler Michael Kohlhaas als Pfand für einen fehlenden Passierschein beim neuen Baron zwei prächtige Rappen zurück. Als er die Tiere wieder abholen will, sind sie von schwerer Feldarbeit zerschunden. Kohlhaas will Schadenersatz und zieht vor Gericht; die Klage wird abgewiesen. Nun will des Händlers Frau am Hof vermitteln, wird dort jedoch tödlich verwundet. Da nimmt Kohlhaas das Recht in die eigenen Hände, greift zur Gewalt und überfällt das Schloss des Barons. Als sich ihm danach weitere Unzufriedene anschließen und ein Aufstand droht, verschafft die Obrigkeit dem stolzen Mann endlich sein Recht. Doch ist damit auch Gerechtigkeit hergestellt?
Heinrich von Kleists 1810 erschienene Novelle
Michael Kohlhaas spielt in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Mit sparsamen Mitteln und bis zum bitteren Ende erzählt sie vom Widerstand eines Individuums gegen die Willkür der Herrschenden sowie von der Differenz zwischen Recht und Gerechtigkeit. Arnaud des Pallières verfilmt diesen Meilenstein der Weltliteratur auf nicht minder ökonomische Weise. Statt der gemeinhin mit Historienfilmen assoziierten Opulenz setzt er auf allgemeine Reduktion: Originalton, natürliches
Licht, kaum Studio-, dafür umso mehr Außenaufnahmen, Bescheidenheit bei
Ausstattung und Kostüm. Das Ergebnis ist ein in seiner unmittelbaren Ausdruckskraft stark verdichteter Film, in dem jede Geste, jeder Blick, jedes Wort, jeder Windstoß und jede Wolke mit über sich selbst hinausweisender Bedeutung aufgeladen ist.
Kleists Novelle ist vielfach verfilmt worden, unter anderem von Volker Schlöndorff (
Michael Kohlhaas – der Rebell, BRD 1969), zuletzt von Aron Lehmann (
Kohlhaas oder Die Verhältnismäßigkeit der Mittel, Deutschland 2012). Entsprechend bietet sich im Unterricht ein Vergleich zwischen der literarischen Vorlage und der vorliegenden Adaption beziehungsweise anderen Verfilmungen an: Was wird jeweils weggelassen? Was hinzugefügt? Welche Auswirkungen haben die Veränderungen auf den Stoff? Wie wirken sie auf die Zuschauenden? Ob und inwiefern stehen diese Veränderungen im Verhältnis zum jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext der Entstehung? Weitergehend lässt sich mit
Michael Kohlhaas das Feld der Rechtsphilosophie eröffnen: Welche Rechtsauffassungen geraten miteinander in Konflikt? Wer vertritt welche und wie wird sie jeweils begründet? Ob und inwiefern ist hier von einer Diskrepanz zwischen Recht und Gerechtigkeit die Rede? Nicht zuletzt gilt es die Aktualität des Stoffes für die Gegenwart aufzuzeigen: die Pflicht des/r Bürgers/in zum Widerstand gegen staatliche Willkür, Machtmissbrauch und Despotismus.
Autor/in: Alexandra Seitz, 12.08.2013
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