Das zwölfjährige Mädchen Aviva ist besessen von der Idee, Mutter zu werden. Sie unternimmt alles, um sich diesen Wunsch zu erfüllen. Als sie tatsächlich schwanger wird, besteht ihre Mutter auf Abtreibung. Daraufhin läuft Aviva von Zuhause weg, fest entschlossen, erneut schwanger zu werden. Fernab der elterlichen Geborgenheit findet sie sich jedoch in einer rauen Wirklichkeit wieder, die sie mit ganz anderen Problemen und Lebenswegen konfrontiert. – In seinem bewusst den guten Geschmack provozierenden Film setzt sich Todd Solondz ( Willkommen im Tollhaus ) vielschichtig und schonungslos mit dem Thema Abtreibung und Mutterschaft in den USA auseinander. Der Film entlarvt fanatische Abtreibungsgegner/innen und Pseudo-Lebensschützer/innen in ihrem bigotten Heuchlertum, wenn sie die Abtreibung als Mord brandmarken, selbst aber zu Mordenden werden. Auch geht es um Doppelmoral und Scheinidylle in religiösen Sekten, die ihre Augen vor der Realität verschließen, beispielsweise vor Müllhalden mit verhungerten Babys unmittelbar neben ihrer Gemeinde. Um die ganze Schizophrenie dieser Verhaltensweisen zu verdeutlichen, reicht eine Hauptfigur nicht aus. So schlüpfen gleich sechs Darstellerinnen mit wechselnder Hautfarbe und unterschiedlichen Alters in die Rolle des heranwachsenden Mädchens, das trotzig sein Lächeln bewahrt. Ratlos stimmt der Film in Bezug auf die Eltern von solcherart schwangeren Minderjährigen. Die verantwortungsvolle Haltung der um die Zukunft ihrer Tochter besorgten Mutter ist zwar verständlich, wird aber relativiert durch auftretende Komplikationen nach dem Eingriff, eine Ignoranz gegenüber den seelischen Bedürfnissen der Tochter und ihre extreme Position, die ebenfalls kein Einsehen für die Argumente der Mutter hat. Der Film verweigert sich einer allgemeingültigen Antwort, er will zum Glück nicht belehren, sondern verstören. Dank seiner Komplexität bohrt er in tiefer gehende gesellschaftliche Schichten und stellt Fragen nach christlicher Erziehung, weiblicher Sozialisation, Sexualität von Minderjährigen und Mutterkult.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.04.2005