Seit dem Tod ihres Mannes hat sich die Tunesierin Lilia allein um ihre bereits herangewachsene, nach liberalen Vorstellungen lebende Tochter zu kümmern und sie tut es überfürsorglich und ganz der Tradition ihres Landes verhaftet. Auf der Suche nach ihrem nicht rechtzeitig heimgekehrten Kind gerät Lilia in einen Nachtclub, der sie mit einer bisher verleugneten und doch sehr verlockenden Welt voller verborgener Wünsche und Vergnügungen bekannt macht. Tagsüber "anständige" Mutter, arbeitet Lilia von nun an des Nachts heimlich als Bauchtänzerin und erfährt sich erstmals als begehrende und begehrenswerte Frau. Diese neuen Erfahrungen verändern ihr Leben, aber auch das ihrer Tochter. – In für eine islamische Gesellschaft ungewohnt offener Weise prangert Regisseurin Raja Amari die verlogene Doppelmoral in den Rollenerwartungen von Männern und Frauen an und erzählt sensibel und in sinnlichen Bildern die Emanzipationsgeschichte einer Frau, die freilich nicht an westeuropäischen Vorbildern gemessen werden darf. Als die Mutter es zulässt, dass ihr Tochter nach traditionellem Rollenverständnis heiratet, wird die eigene Emanzipation provokativ in Frage gestellt, gleichzeitig aber auch deren prinzipielle Notwendigkeit unterstrichen.
Autor/in: Holger Twele, 01.05.2002