Selbst Superhelden sind manchmal gestresst. Peter Parker alias Spider-Man macht sein Doppelleben schwer zu schaffen. Nur zwei Jahre sind vergangen, seitdem der Held auf die große Liebe verzichtete und seiner höheren Bestimmung folgte: dem Kampf gegen das immerwährende Böse. In Spider-Man 2 erleidet der sympathische Netzschwinger nun eine schwere Identitätskrise inklusive Geldsorgen, Studienstress und Jobproblemen. Zudem hat sich seine geliebte Mary Jane gerade frisch verlobt. Angesichts dieser Existenz- und Liebesnöte versagt sogar der hyperagile Spinnenkörper; Spider-Man rutscht an Betonwänden ab oder trudelt Straßenschluchten hinunter, bis er sein Kostüm in die Mülltonne wirft. Doch dann muss er Mary Jane aus den tödlichen Armen eines verrückten Wissenschaftlers retten.
Spider-Man 2 folgt weit gehend den Mustern seines
Vorgängers. Peter Parker kommt noch immer notorisch zu spät und in den ersten Liebesszenen stammelt er wie einst als pubertierender Teenager. Die Figur seines Gegenspielers wurde geringfügig variiert: An die Stelle des Wissenschaftlers Osborn, der zum grünen Kobold mutierte, ist der Maschinenmensch Doc Ock getreten. Sorgt der Kampf zwischen ihm und Spider-Man auch für ausgereifte Actionszenen, so wirkt der Mutant mit den vier Tentakeln antiquiert. Wenn Peter Parker sein rotblaues Superdress durch die Kochwäsche zieht und dadurch die restlichen Klamotten verfärbt werden, dann bricht Regisseur Sam Raimi selbstironisch mit dem Heldenmythos. Zumindest indirekt transportiert der Blockbuster auch nationale Botschaften. Da ruft Peter Parkers Tante ihren Neffen zu "Beständigkeit" und "Verantwortung" auf, sogar um den Preis seiner Träume: "Wir alle brauchen einen Helden. In jedem von uns steckt ein Held." Dass dieser Held immer wieder sein menschliches Antlitz zeigt, ist Teil der Erfolgstrategie.
Autor/in: Claudia Hennen, 01.07.2004