Sibirien 1941. Die Überlebenschancen im sowjetischen Arbeitslager bei Jakutsk sind nicht groß. Daher brechen der junge polnische Leutnant Janusz, der amerikanische Baustatiker Mr. Smith, der russische Berufsverbrecher Valka und vier weitere Gefangene aus. In ständiger Furcht vor Denunzianten/innen schlägt sich die Gruppe, zu der unterwegs das Waisenmädchen Irina stößt, durch verschneite Wälder, die Steppen der Mongolei, die Wüste Gobi bis ins britisch verwaltete Indien durch. Mehr als einmal erfrieren, verhungern oder verdursten sie beinahe. Und nicht alle erreichen das Ziel.
Der jüngste Film des australischen Regie-Altmeisters Peter Weir beruht auf dem Bericht
Der lange Weg, den der polnische Autor Sławomir Rawicz 1956 publizierte. Weir und der Co-Autor Keith R. Clarke ergänzten den Stoff der Vorlage auf der Grundlage von Augenzeugenberichten und eigenen Recherchen. Die Geschichte erinnert an den deutschen Kriegsheimkehrerroman
So weit die Füße tragen (1955) von Josef Martin Bauer, der 1959 erfolgreich in sechs TV-Folgen verfilmt und 2001 für das Kino (
So weit die Füße tragen, Hardy Martins, Deutschland) adaptiert wurde. Über weite Strecken wirkt der Film wie ein abenteuerliches
Road Movie. Da der zwölfmonatige Marsch einen episodischen Charakter hat, greift die Regie häufig zu
Ellipsen, etwa bei der nur angedeuteten Himalaya-Überquerung, und zu dramatischen Verdichtungen, etwa beim Angriff auf ein Wolfsrudel, um die Spannung zu erhöhen. Die Schattenseite: Der Erzählfluss wirkt zuweilen sprunghaft und holprig. Statt auf eine differenzierte Figurenzeichnung konzentriert sich der Film auf den harten Überlebenskampf gegen die Gewalten einer Natur, die die Kamera in imposanten
Panorama-Aufnahmen einfängt. Ob die kommunistische Diktatur die Ausbrecher verfolgt, bleibt jedoch im Dunklen.
Eindringlich zeigt
The Way Back – Der lange Weg, dass die Flüchtlinge nur überleben können, wenn sie ihr gegenseitiges Misstrauen überwinden und kooperieren. Eine entscheidende Funktion im Gruppengefüge fällt dabei Irina zu, die das Schweigen der Männer durchbricht und die Flüchtlinge zu einem Team zusammenschweißt. Im Literaturunterricht bietet sich eine vergleichende Analyse der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Büchern von Rawics und Bauer und den zugehörigen Filmfassungen an. Damit eng verbunden ist die Frage, was Autoren/innen und Filmemacher/innen wie Weir daran reizt, Geschichten von Menschen, die in Extremsituationen über sich hinauswachsen, zu schildern.
Autor/in: Reinhard Kleber, 28.06.2011
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