Im März 2003, der Irak-Krieg scheint bereits unausweichlich, begeht Natalie Maines einen Fehler. Die Sängerin der texanischen Countryband The Dixie Chicks lässt bei einem Konzert in London verlauten, sie sei beschämt, dass der Präsident George W. Bush ebenfalls aus Texas stamme. Die eher scherzhaft gemeinte Ansage wird in den Vereinigten Staaten schnell zum Politikum: Radio-Sender verbannen die Songs des beliebten Frauen-Trios aus ihrem Programm, Fans verbrennen ihre CDs und die Band erhält Morddrohungen.
The Dixie Chicks: Shut Up and Sing zeichnet akribisch nach, wie sich eine persönliche Meinungsäußerung zum politischen Skandal auswachsen konnte, in dessen Folge eine erfolgreiche Countryband öffentlich als "Landesverräter" gebrandmarkt wurde.
Drei Jahre lang begleiteten die Filmemacherinnen Barbara Kopple und Cecilia Peck die drei Musikerinnen durch ihren beruflichen und privaten Alltag. Mit frappierender Offenheit begegnen die Dixie Chicks der Kamera, die der schwangeren Banjo-Spielerin Emily Robinson sogar zur Ultraschall-Untersuchung folgt. In der Mixtur aus Nachrichtenbildern, Fernsehausschnitten und selbstgedrehtem Material finden sich einige wirklich bemerkenswerte Szenen. So die ersten hektischen Diskussionen nach dem berüchtigten Zwischenfall, in denen entschieden wird, ob Maines dementieren oder sich entschuldigen soll, ob der Vorfall heruntergespielt oder sogar verkaufsfördernd genutzt werden soll. "Wäre es nicht toll", gibt ein Manager grinsend zu bedenken, "wenn wir sie dazu kriegen könnten, eure CDs zu verbrennen?" Später, als die CDs tatsächlich brennen, steht ihm das Entsetzen ins Gesicht geschrieben.
Die Nähe zu seinem Gegenstand ist die Stärke von
The Dixie Chicks: Shut Up and Sing, macht jedoch zugleich seine Schwäche aus: Die Auswahl der Interviewten konzentriert sich auf die Bandmitglieder und deren Ehemänner, auf Manager/innen und Mitarbeiter/innen der Plattenfirmen; Außenstehende kommen, abgesehen von einigen Radiomachern, kaum zu Wort. Trotz einer gewissen Engführung der Perspektive ist die Geschichte vom Fall und Wiederaufstieg der Dixie Chicks ein prototypisches Beispiel für Medienmechanismen und kommerzorientierte Strukturen des Popgeschäfts und bietet Diskussionsansätze über freie Meinungsäußerung, über Demokratie, nationalen Fanatismus und die nachhaltigen Folgen des 11. September 2001. Zudem ist den Filmemacherinnen ein Starporträt mit durchweg sympathischen Heldinnen gelungen.
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Autor/in: Thomas Winkler, 07.08.2007