Im Township von Johannesburg schlagen sich der 19-jährige Tsotsi und seine Kumpanen mit Diebstählen und skrupellosen Gewalttaten durchs Leben. Ein Mensch zählt nicht viel in der harten Welt dieser Junggangster. Als sich bei einem ihrer Raubzüge ein älterer Geschäftsmann weigert, ihnen seine Brieftasche auszuhändigen, erstechen sie ihn kaltblütig. Nur einem der Gangmitglieder, Boston, geht diese Untat zu Herzen. Als er Tsotsi kritisiert, schlägt dieser ihn brutal zusammen. Seinen nächsten Überfall plant Tsotsi alleine. In einem schicken Vorort stiehlt er das Auto einer jungen Frau, feuert mehrere Schüsse auf sie ab und rast davon, ohne sich um die Schwerverletzte zu kümmern. Doch dann ertönt vom Rücksitz plötzlich das Wimmern eines Babys. Völlig verwirrt nimmt Tsotsi den Säugling schließlich in seine Bretterbude mit. Überfordert von dessen Versorgung, zwingt er die junge Witwe Miriam, das Kind zu stillen. Allmählich erwachen in Tsotsi wieder menschliche Gefühle; er erkennt, dass er sein Leben ändern muss.
Tsotsi, die dritte Regiearbeit Gavin Hoods, der auch das Drehbuch verfasste, basiert auf dem gleichnamigen Roman des südafrikanischen Schriftstellers und Dramatikers Athol Fugard. Allerdings siedelte Fugard seine Gangster-Ballade in den 1950er-Jahren an, also zur Zeit der Apartheid. Das Setting des Films hingegen ist in die Gegenwart transferiert. Nicht die Rassenfrage steht im Zentrum des Konflikts, sondern die sozialen Gegensätze innerhalb der schwarzen Bevölkerung. Mit poetischen Bildern, gedreht auf hoch auflösendem Filmmaterial, lässt Hood die Kontrastwelten der größten Townships von Südafrika aufeinanderprallen. Ganz in der Nähe der schmutzigen Gassen und grauen Wellblechbaracken von Tsotsis Wohnghetto liegen die sattgrünen Vororte der Wohlhabenden, die sich mit Sicherheitsdiensten und Überwachungsanlagen vor Ausweglosigkeit und Gewalt verschanzen. Für Tsotsi (was übersetzt "Gangster" bedeutet), ist dieses andere, bessere Leben gänzlich unerreichbar. Der Eindruck authentischer Urbanität wird atmosphärisch verdichtet durch die treibenden Rhythmen der für die südafrikanischen Townships typischen Kwaito-Musik (eine Art südafrikanischer Gangster-Rap). Trotz des pathetischen Plots um die innere Läuterung des Protagonisten überzeugt
Tsotsi als eindringliche Milieuschilderung und bietet Diskussionsansätze zur aktuellen sozialen Situation in Südafrika. Authentisch und berührend ist auch die darstellerische Leistung Presley Chweneyagaes. Sein Tsotsi ist Gewalttäter und Opfer in einer Person, aggressiv und zugleich verletzlich, dabei in all seiner Widersprüchlichkeit glaubwürdig.
Athol Fugard: Tsotsi, Diogenes Verlag, 2006
Autor/in: Ula Brunner, 19.10.2006