Für die Propaganda des Nationalsozialismus spielten Filme eine herausragende Rolle. Josef Goebbels sah im Film "das Erziehungsmittel für unsere Jugend". Neben der Masse "unpolitischer" Unterhaltungsware warben kriegsverherrlichende, antisemitische und sogenannte völkische Filme mehr oder weniger offen für die Ziele der Nazis. Über 60 Jahre nach Kriegsende gelten rund 40 von ihnen noch immer als "Vorbehaltsfilme". Das heißt, sie dürfen nur unter fachkundiger Anleitung gesehen werden. Doch rechtfertigt die Angst vor Missbrauch ein solches Verbot? Wäre es im Sinne der Aufklärung nicht besser, den Giftschrank zu öffnen?
Die Dokumentation nähert sich dem kontroversen Thema mit einem überzeugenden multiperspektivischen Ansatz. In Kapitel aufgeteilt, zeigt eine Fülle von Filmausschnitten, zum Teil aufwendig restauriert, die enorme Bandbreite der propagandistischen Indoktrination. So sollte etwa
Heimkehr (Gustav Ucicky, 1941) den Überfall auf Polen rechtfertigen und das perfide Euthanasie-Drama
Ich klage an (Wolfgang Liebeneiner, 1941) verklärt den hunderttausendfachen Mord an körperlich und geistig Behinderten zur humanen Sterbehilfe. Filmhistoriker/innen wie Filmschaffende erklären die genaueren Zusammenhänge. Daneben kommt aber auch das nicht-professionelle Publikum zu Wort: Französische Schüler/innen nach einer Vorführung von
Jud Süß (Veit Harlan, 1941), israelische Studierende oder ehemalige Neonazis schildern ihre Eindrücke. So ergibt sich ein facettenreiches Bild nicht nur der Filme selbst, sondern auch der Wirkung, die diese Filme auf ein heutiges Publikum haben.
Trailer, © Salzgeber & Co. Medien GmbH
Zweifellos vermitteln kurze Filmausschnitte einen nur unvollständigen Eindruck. Doch in diesem besonderen Fall ist wenig besser als nichts. Durch seine kluge Aufbereitung hilft der Film, der mit einem recht klaren Plädoyer für die Aufgabe des Index endet, sich eine eigene Meinung zu bilden. So können Schüler/innen höherer Klassenstufen, angeregt durch die Diskussionen im Film, auch über die Konsequenzen einer solchen Freigabe nachdenken. Wäre es wirklich wünschenswert, teilweise rassistische oder kriegshetzerische Filme auf DVD im Supermarkt kaufen zu können? Wer würde davon Gebrauch machen? Vor allem aber kann der Film als Anregung dienen, selbst einmal einen dieser Filme im Klassenverband zu sichten, zu einem eigenen Urteil zu kommen und sich mit der kulturpolitischen Geschichte der NS-Zeit auseinanderzusetzen.
Autor/in: Philipp Bühler, 05.03.2014
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