Am 20. Juli 1969 landet die Raumkapsel Apollo 11 auf dem Mond. Doch während die Welt staunend im Fernsehen die historischen Ereignisse beobachtet, wird vor der Kamera eine handfeste Fehde zwischen den Astronauten Buzz Aldrin und Neil Armstrong ausgetragen, von denen jeder den berühmten ersten Schritt auf den fernen Erdtrabanten machen will. Es wird getreten, Stinkefinger werden gezeigt, Sauerstoffkabel gekappt, Mondsteine geworfen. Irritiert und belustigt reagieren die Zuschauenden der weltweiten Fernsehübertragung, panisch die Menschen im vermeintlichen Kontrollzentrum. Konzentriert bleibt zunächst nur einer: Stanley Kubrick, der die chaotische Szene vor seinen Augen in einer Studiokulisse aus seinem Regiestuhl beobachtet. Bis auch ihm die Abweichungen vom
Drehbuch eindeutig zu weit gehen und er wütend das
Set verlässt.
Alles ist ein wenig anders in dem von Sam Pilling inszenierten Musikvideo. Nicht nur, was die Hintergrundgeschichte der beiden Astronauten angeht, sondern auch die gesamte Mondlandung an sich. Augenzwinkernd spielt der narrative Clip mit der hartnäckigen Verschwörungstheorie, diese sei nur eine Studio-
Inszenierung gewesen, für die niemand geringeres als der durch
2001 – Odyssee im Weltraum Science-Fiction-erprobte Regisseur Stanley Kubrick verantwortlich gewesen sei. So wechselt der Clip im Rhythmus der treibenden Musik von DJ Shadow und De La Soul zwischen den Erzählebenen und Schauplätzen: Er wirft einen Blick in die vermeintlichen Schaltzentralen der NASA, zeigt die Reaktionen auf die Berichterstattung an unterschiedlichen Orten von Schaulustigen und Politikern – und insbesondere das Geschehen im Studio. Dort gerät der Konflikt zwischen den Astronauten außer Kontrolle und entwickelt sich zu einer Prügelei, in deren Verlauf die beiden an Stahldrähten hängenden Männer scheinbar schwerelos über dem Boden schweben. Schließlich ergreift eine Mitarbeiterin der NASA die Initiative und unterbricht die Live-Übertragung.
Während die erste
Szene die beiden Raumfahrer an Bord der Kapsel zeigt und damit eine alternative Geschichtserzählung einleitet, folgt der zweite Plot Twist, sobald die Studiokulisse ins Bild gerückt wird. Die Verwendung von Archivmaterial und Szenen, die auf alt getrimmt wurden, erweisen sich als Fake und bewusste Täuschung des Publikums, das geschickt auf eine falsche Fährte geführt wurde und dadurch dazu angeregt wird, auch andere Bewegtbilder kritisch zu betrachten. Zum Humor trägt vor allem die
Montage bei, die die Blicke der Beobachtenden (aus dem Archivmaterial) im alten 4:3-Fernsehformat in direkte Beziehung zu den in Breitbild nachinszenierten Spielszenen der Astronauten setzt und durch diese Kombination auch filmisch eine neue Realität konstruiert. Ende sind gleich zwei Mythen zerstört: jener der heldenhaften Astronauten – und jener der fingierten Mondlandung.
Autor/in: Stefan Stiletto, Medienpädagoge mit Schwerpunkt Filmkompetenz und Filmbildung, 18.09.2020
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