Bildungsrelevant, weil … "Meshes of the Afternoon" eine unbändige surrealistische Bildsprache in der Darstellung des Unbewussten entwickelt, die auch jenseits des Experimentalfilms stilbildend war.

Die Geschichte: Rätselhafte Begegnungen mit sich selbst

Nachdem sie auf der Straße eine mysteriöse Person im schwarzen Gewand gesehen hat, betritt eine junge Frau ein Haus zu ihrer Linken. Es scheint eilig verlassen worden zu sein, denn eine Zeitung und ein Telefonhörer liegen auf dem Teppichboden, in einem Zimmer läuft der Plattenspieler. Die Frau lässt sich in einen Sessel fallen und schläft ein. Im Traum erscheinen ihr Varianten von sich selbst, die ihre Handlungen nachahmen. Beim Aufwachen kommt ihr ein Mann bedrohlich nahe, woraufhin sich eine Blume in ihrer Hand in ein Messer verwandelt, das sie ihm ins Gesicht schleudert. Daraufhin zerspringt ein Spiegel in Dutzend Teile und der Mann geht – wie zuvor die Frau – die anfängliche Straße entlang. Als er allerdings das Haus zur Linken betritt, erwartet ihn dort die blutüberströmte Leiche der Frau im Sessel.

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Filmische Umsetzung: Experimentelles Spiel der Bedeutungsebenen

Bereits ab der ersten Szene lässt der Film die Behauptung einer objektiv nachvollziehbaren Realität hinter sich. Vielmehr ist "Meshes of the Afternoon" als Kaskade von unterschiedlichen Bedeutungsebenen zu begreifen: ein Traum in einem Traum in einem Traum. Durch den Wechsel von objektiver zu subjektiver Kameraführung (Glossar: Zum Inhalt: Kamerabewegungen) sowie mehrere Einstellungen in Zeitlupe wird die filmische Welt noch weiter ins Absurde verzerrt. So erscheint etwa die Treppe in das Zimmer der Frau – je nach Zum Inhalt: Kameraperspektive – endlos lang oder unüberwindbar steil. Auch die Blume verwandelt sich mühelos per Stopptrick (Glossar: Zum Inhalt: Animationstechniken) in ein Messer, gerade weil diese Welt von Beginn an als unzuverlässig geschildert wurde. Es ist die spielerische Ästhetik des Surrealismus, mit der die Regisseur/-innen Maya Deren und Alexander Hammid hier narrative Konventionen zugunsten einer Logik des Traumhaften zurückstellen.

Thema: Dem Unbewussten der Psyche eine Gestalt geben

Wie nur wenige Filme findet "Meshes of the Afternoon" poetische Bilder für psychisch komplexe Vorgänge. Deren und Hammid verleihen Krankheitsbildern wie Depression und dissoziativer Identitätsstörung einen filmischen Ausdruck, ebenso wie den schwer greifbaren Zuständen des Ennui oder des Begehrens. Trotzdem bleibt der 14-minütige Film auch über 80 Jahre nach seinem Erscheinen rätselhaft. Wie alle Werke des Surrealismus verwehrt sich auch "Meshes of the Afternoon" einer definitiven Interpretation. Beeinflusst von der Traumdeutung Sigmund Freuds, ist Deren und Hammid daran gelegen, das Unbewusste der Psyche durch experimentelle und intuitive Herangehensweisen zu ergründen.

Fragen für ein Filmgespräch:

  • "Meshes of the Afternoon" zeigt einige Versionen der Protagonistin. Für welche Charaktereigenschaften oder Gefühle könnten die einzelnen Darstellungen stehen?

  • Bis 1959 wurde "Meshes of the Afternoon" als Stummfilm aufgeführt, erst dann komponierte Maya Derens dritter Ehemann, Itō Teiji, einen abstrakten Soundtrack (Glossar: Zum Inhalt: Filmmusik). Welche Wirkung hat die Musik auf den Film? Welche Dimensionen des Films werden dadurch verstärkt oder konterkariert?

  • Surrealistische Filme arbeiten häufig mit Elementen des Traumhaften. Überlegt in Kleingruppen, ob Ihr schon mal etwas geträumt habt, das man verfilmen könnte.

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