Das Interview führte Margret Köhler.
Wie war die Entwicklung vom Buch über das Theaterstück zum fertigen Film?
Ich suche – egal ob als Theater- oder Filmregisseur – immer nach interessanten Geschichten und Figuren. Ein Freund empfahl mir das Buch und ich war begeistert, mochte die Figuren und ihre Verrücktheiten sofort. Ein bisschen "Elling" steckt doch in jedem von uns. Das Theaterstück spielt fast nur in der Sozialwohnung. Beim Film nutzten wir die Möglichkeit, auch die Außenwelt einzubeziehen und neue Charaktere zu schaffen wie den älteren Dichter, der sich mit Elling befreundet.
Und wie haben Sie sich den Figuren angenähert?
Das fiel mir leicht, weil ich mich teilweise in ihnen wieder erkenne. Elling ist ein sehr komplizierter und penibler Mensch, der seiner Umwelt schon auf die Nerven gehen kann. Da ich auch zu der Kategorie von Leuten gehöre, die alles komplizieren und überall Probleme entdecken, musste ich nicht viel nachdenken und konnte mich schnell mit ihm identifizieren. Diese ganzen Auf und Ab kenne ich wie meine Westentasche. Die Grenzen zwischen denen, die als "special" gelten und denen, die sich als normal bezeichnen, halte ich für fließend. Nur flüchten wir uns in die gesellschaftliche Normalität, weil uns das die Existenz erleichtert. Aber Ellings Schrullen sind doch ganz normal, oder?
Was heißt für Sie Normalität?
Der Versuch eines bestimmten Perfektionismus. Aber Sie fragen die falsche Person. Im kreativen Bereich haben wir doch alle eine leichte Meise. Mir fällt es schwer, zwischen meiner ureigenen Normalität und meinem persönlichen Wahnsinn zu differenzieren. Wichtig ist es, eine Form von Ehrlichkeit zu bewahren. Ich liebe die Szene, in der Elling die Dichterlesung besucht. Was da vorgetragen wird, ist schlicht und einfach Mist. Aber alle tun sehr interessiert. Nur Elling platzt mit seiner ehrlichen Meinung heraus. Und das ist der Knackpunkt. Wir haben die Fähigkeit zum Ehrlichsein verlernt.
Mir gefällt Ihre sichere Gratwanderung zwischen Humor und Ernsthaftigkeit ...
Ich wundere mich im Nachhinein selbst, wie wir das hinbekommen haben. Das war eine heikle Angelegenheit. Natürlich soll der Zuschauer lachen, aber gleichzeitig muss ich auch die Figur respektieren. Beim Drehen haben wir oft unterbrochen und überlegt, ob wir nicht zu weit gehen. Ich musste mich entscheiden, welche Art von Lachen ich will.
Beschreiben Sie Ihren Humor.
Sehr trocken und tiefschwarz, aber nicht deprimierend. Das beste Beispiel: Da sagt jemand zu Elling, wir leben nur einmal, und der antwortet ganz lakonisch, ja, das hoffe ich jedenfalls. Ich könnte jedes Mal von Neuem lachen.
Was ist Ihre größte Angst?
Nicht ehrlich zu mir selbst zu sein, nicht auf meine innere Stimme zu hören, sondern mich von Außen und Äußerlichkeiten beeinflussen zu lassen. Die meisten von uns passen sich an, gehen den Weg des geringsten Widerstandes, weil wir anerkannt und akzeptiert werden wollen. Dabei sollten wir uns erst einmal selbst akzeptieren und mögen. Dann mögen uns auch die anderen. Diese ganzen faulen Kompromisse machen uns nur unglücklich. Ich weiß nicht, ob der Mensch überhaupt glücklich sein kann. Vielleicht ist die Suche nach dem Glück unsere Lebensbeschäftigung.
Warum haben Sie darauf verzichtet, für Elling in der Psychiatrie zu recherchieren?
Weil beide Protagonisten kein festes Krankheitsbild haben, es fehlt ihnen primär an sozialer Erfahrung. Mein Film handelt nicht von Psychiatrie oder psychischer Deformation, sondern von Freundschaft und Hoffnung, und – nicht zu vergessen – von menschlicher Würde. Ich habe selbst genug Phobien und Ängste, warum sollte ich noch anfangen zu gründeln?
Elling ist ein friedlicher Film, ich erzähle davon, wie man sein Leben lebt und innere Barrieren und Blockaden überwindet. Ich verbreite keinen Pessimismus, sondern Lebensfreude.
Finden wir die auch in einem Ihrer nächsten Filme?
Mir gehen viele Ideen durch den Kopf. Erst einmal plane ich eine romantische Komödie. Aber Sie können sich vorstellen, dass die bei mir nicht ganz so zuckersüß ist. Das Thema kreist um das schwierige Verhältnis zwischen Männern und Frauen, da werfe ich natürlich auch einen Blick in dunkle Abgründe. Und die kennen wir in diesem Punkt alle.