David Wiseman liebt Cricket über alles. Nach jedem Spiel putzt der Elfjährige gewissenhaft seine weißen Sportschuhe, seine Hose und Weste, obwohl die Bekleidung nicht dreckig ist. Denn weil er jeden Ball verschlägt, darf er gar nicht richtig mitspielen und nur beim Punktezählen helfen. Doch wenn David sich in seine Cricket-Sammelkarten versenkt, ist das vergessen und er lässt die großen Vorbilder imaginäre Matches austragen. Eines Tages kommt er nicht dazu und entdeckt fasziniert, dass die neuen Nachbarn, Immigranten aus Jamaika, im Garten die blühenden Rosenstöcke ausgraben, um ein kleines Cricketfeld zu errichten. Bessere Nachbarn hätte sich David gar nicht wünschen können. Seine Mutter, die die Neuankömmlinge durchs Küchenfenster beobachtet, ist da zunächst ganz anderer Meinung.
Misstrauen
Der Film spielt in Großbritannien, Anfang der 1960er Jahre: Viele Immigranten aus der Karibik strömen ins Land, das sich nur langsam zu einer multikulturellen Gesellschaft entwickelt. Durch die Zuwanderung entstehen Konflikte, die von den Menschen in ihren täglichen Begegnungen auf der Straße ausgetragen werden, so auch in dem Londoner Arbeiterviertel, in dem die Wisemans wohnen. Als jüdische Familie haben David und seine Eltern keinen leichten Stand. Davids Mutter Ruth, die als Flüchtlingskind aus Deutschland hierher kam, ist Außenseiterin geblieben. Deshalb hatte sie gehofft, nun nicht mehr allein der skeptischen Nachbarschaft ausgeliefert zu sein. Doch schon ihr erster Kontakt mit den Neuen wird von den Bewohnern des Viertels misstrauisch beäugt. Die jüdische Familie wird sich doch nicht mit den schwarzen Nachbarn verbrüdern?
Außenseiter
Ruth ist in der Straße die einzige, die aus persönlichen Erfahrungen ahnt, dass die neuen Nachbarn im Viertel einen schweren Stand haben werden. Trotzdem instruiert sie ihren Sohn, mit ihnen nicht mehr Kontakt zu pflegen, als die Höflichkeit gebietet. Ruth fürchtet um den eigenen Familienfrieden, wenn es zu Konflikten mit den anderen Bewohnern/innen der Straße kommen sollte. Ohnehin ist sie den Sticheleien der Nachbarn schon täglich ausgesetzt. Davids Vater Victor zieht sich bis spät in die Nacht in seinen kleinen Laden zurück und ist seiner Frau keine Hilfe bei ihren Problemen. Allein auf sich gestellt versucht sie, ihre Erfüllung in der Erziehung ihres Kindes und einem gut geführten Haushalt zu finden. David in seiner weißen Cricketkleidung symbolisiert auch für sie den englischen Traum, britisch diszipliniert und geachtet zu sein. Mit seiner Begeisterung für den britischen Nationalsport scheint David, eher unbewusst als bewusst, ebenfalls dem Außenseiterdasein entkommen zu wollen. Doch als schlechter Spieler bleibt er allein.
Die Begegnung mit dem Fremden
Die neuen Nachbarn erweisen sich sowohl für David als auch für seine Mutter bald als Glücksfall. Zunächst schlägt David mutig alle Ermahnungen der Mutter in den Wind und klettert über den Gartenzaun. Er wird freundlich empfangen, findet in den Samuels endlich Freunde und in Familienvater Dennis einen engagierten Cricketlehrer, der ihn für die Schulmannschaft fit macht. Auch Davids Mutter fühlt sich von Dennis' unbeschwerter Lebensfreude angezogen. Für Dennis ist sie nicht Nachbarin, Mutter oder Jüdin, sondern ganz einfach eine attraktive Frau. Alle Figuren im Film entwickeln sich und überwinden ihre Ängste. Regisseur Paul Morrison macht mit Hilfe dieses dramaturgischen Konzepts deutlich, wie sich das eigene Leben durch die Begegnung mit anderen Kulturen und Religionen bereichern kann. Die Geschichte um das Erwachsenwerden des Cricket-begeisterten David lässt sich so auch als Coming-of-Age-Geschichte des multikulturellen Großbritannien lesen.
Gedankenlosigkeit und Ausgrenzung
Doch es gibt Rückschläge in der Beziehung zwischen den beiden Nachbarsfamilien und auch David muss schmerzhaft erfahren, dass es gar nicht so einfach ist, alte Vorstellungen und eingeschliffene Verhaltensweisen abzulegen. In Judy Samuels hat er eine gleichaltrige Cricketpartnerin und tapfere Freundin gefunden, die bisher alle Anfeindungen der anderen wie bittere Pillen hinunterschluckte. David denkt nicht darüber nach, wie zerbrechlich ihre Freundschaft ist. Als er endlich in der Schulmannschaft spielen darf, schließt er Judy ohne Rücksicht auf ihre Gefühle von seiner Geburtstagsparty aus. Am nächsten Tag wollen ihn die Samuels nicht mehr sehen. Und zu allem Überfluss verkündet Victor, dass er mit der Familie wegziehen will. David ist wie gelähmt, für ihn bricht eine Welt zusammen.
Zivilcourage
Der nun Zwölfjährige muss schmerzhaft erfahren, was es heißt, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen. Seine Entscheidungen führen plötzlich zu spürbaren Konsequenzen. Er hat die neu gewonnene Freundschaft mit den Samuels leichtfertig aufs Spiel gesetzt, um an seinem Geburtstag vor den Cricketkameraden nicht bloßgestellt zu werden. Diese Wendung der Geschichte verdeutlicht, dass das vorurteilsfreie Zugehen auf Fremde nur ein erster Schritt sein kann, Zivilcourage aber auch das füreinander Einstehen in schwierigen Situationen bedeutet. David bekommt noch eine zweite Chance, als er die Samuels nach einem nächtlichen Brandanschlag auf deren Wohnung rettet, den einige Anwohner hasserfüllt begangen hatten. Dieses Ereignis zwingt nun auch Davids Vater zu einer Reaktion.
Happy End mit kleinen Fehlern
Victor hatte die fremdenfeindlichen Drohungen, die sich sowohl gegen seine Familie als auch gegen die Samuels richteten, lange ignoriert und eine offene Konfrontation gemieden. Im Schlafanzug auf der Straße stehend, beschimpft Victor nun die scheinheilige Nachbarschaft und macht seiner angestauten Wut Luft. Dennis hingegen ist mit den Nerven am Ende. Dummheit und Ignoranz scheinen sich in der Straße durchgesetzt zu haben. Überraschend kommt es in den letzten Minuten des Films zu großen Versöhnungsgesten und die Geschichte entwickelt sich so positiv, dass sie nach dem bisherigen Verlauf nicht mehr ganz glaubwürdig ist. Das vereinfacht die Problematik unnötigerweise, andererseits unterstreicht Morrison im Wunsch nach einer toleranteren Gesellschaft mit dem positiven Ende seine Botschaft, dass alles möglich ist, wenn man nur will.
Autor/in: Dinah Münchow, 01.07.2004