Einführung
Fremde und Fremdes
Vorurteile gegenüber Fremden bis hin zu Fremdenfeindlichkeit und Rassismus haben vielfältige soziologische und gesellschaftspolitische Ursachen. Begründet sind sie zum Teil auch in der menschlichen Angst vor dem Unbekannten, was sie keineswegs rechtfertigt. Das Fremde – sei es in Form des Fremdartigen, eines Fremden oder des psychisch Verdrängten (die innere Fremdheit) – erzeugt immer ein Spannungsverhältnis, das je nach Wahrnehmungsmuster der Betroffenen zwischen Faszination und Bedrohung schwankt. Nur in der kritischen Auseinandersetzung mit eigenen Ängsten und Vorurteilen lässt sich ein angemessener Umgang mit "dem Fremden" erzielen, der das Eigene und das Fremde gleichermaßen gelten lassen kann. In dieser Themenausgabe geht es um solche Begegnungen in seinen verschiedenen Erscheinungsformen.
In Form eines modernen Märchens erzählt Heimliche Freunde die fast schon archetypische Geschichte zweier Außenseiter inmitten einer 'geschlossenen' Gemeinschaft, die von Standesdünkel und Ignoranz geprägt ist. Hinter der unschuldigen Freundschaft eines zehnjährigen Mädchens aus gutem Haus mit einem 21-jährigen Hilfsarbeiter vermuten die Eltern des Mädchens eine große Gefahr für ihr Kind und starten mit den Nachbarn eine tödliche Hetzjagd.
Die beiden anderen Filme modifizieren die klassische Situation von Personen, die auf der Suche nach ihrer eigenen Identität in der Fremde heimisch werden wollen. In Gadjo dilo – Geliebter Fremder reist ein junger Franzose nach Rumänien, um die Musik der dort lebenden Roma zu dokumentieren. Zunächst sieht sich der Eindringling mit Vorurteilen konfrontiert, doch langsam gelingt es ihm – zusammen mit den Zuschauern – in diese fremde Welt einzutauchen und echte Beziehungen aufzubauen. In Liebe das Leben versuchen zwei junge Frauen auf unterschiedliche Weise, in einer fremden Stadt Fuß zu fassen und ihren Traum von einem besseren Leben zu verwirklichen. – Spannende Geschichten, die alle eine sinnliche Auseinandersetzung mit dem Fremden (und mittelbar mit der Entfremdung des Menschen) ermöglichen, überraschende Alternativen zeigen, sich dem Fremden zu nähern und vielleicht auch dazu beitragen, gängige Vorurteile zu hinterfragen.
Autor/in: Holger Twele, 12.12.2006