In Barbieland ist jeder Tag der beste aller Zeiten. Wie alle anderen Barbies ist Barbie (gespielt von Margot Robbie) vollkommen perfekt und immer glücklich. Aber warum muss sie dann mitten in ihrer Traumvilla-Dance-Party plötzlich an den Tod denken? Warum läuft am nächsten Morgen das unsichtbare Wasser eiskalt aus ihrer Plastikdusche und werden ihre passgenau für High Heels gewölbten Füße auf einmal so ekelhaft platt und – menschlich? Um diese Störungen zu beheben, muss Barbie in die echte Welt reisen – nach Los Angeles, Kalifornien. Doch das Abenteuer verläuft ganz anders als geplant. Erst fährt der anhängliche und reichlich schlichte Ken (Ryan Gosling) auf dem Rücksitz ihres pinken Cabrios mit: Wie alle Kens ist er es gewohnt, in Barbies Schatten zu leben, und weiß nicht, was er ohne sie anfangen soll. Dann ist die echte Welt auch noch alles andere als perfekt, sondern grau und voll komplizierter Gefühle und Aggressionen. Und während Barbieland von der Baustelle bis zum Obersten Gerichtshof von Frauen kontrolliert wird, haben in der
real world Männer das Sagen. Eine Offenbarung für den lang benachteiligten Ken, der sich an diesem Machoparadies geradezu berauscht. Barbies Suche nach der Ursache ihrer Probleme führt sie derweil bis ins Hauptquartier ihrer Erfinder-Firma Mattel – deren Geschäftsführung fest in männlicher Hand liegt. Dort löst ihr Erscheinen heilloses Chaos aus. Doch auch Barbieland steht Kopf, als Ken dorthin zurückkehrt und von den Segnungen des Patriarchats berichtet.
Mit so viel
pinker Farbe, dass der Film angeblich einen globalen Lieferengpass ausgelöst haben soll, hat
Regisseurin Greta Gerwig ein maximalistisches Plastik-Wunderland erschaffen: Alles glitzert und glänzt in Barbieland; die opulenten
Kulissen, Tanzeinlagen und handgemalten Studiohintergründe erinnern an die Technicolor-
Musicals des alten Hollywoodkinos. Die extravaganten
Kostüme,
Requisiten und Bauten zitieren Klassiker und Kuriositäten der realen Barbie-Designgeschichte. Umso deplatzierter wirken Barbie und Ken an den
Originalschauplätzen der echten Welt mit ihren gedämpften, naturalistischen Farben. Als dritter Schauplatz dient das Hauptquartier der Firma Mattel: Ein bedrohlicher Büroturm mit endlosen Fluren wie aus einer
Science-Fiction-Dystopie. Aber Moment: Ein Spielzeugkonzern, der im selbst mitproduzierten Spielfilm die Rolle des Bösen besetzt? Ein kaugummibunter abendfüllender Werbespot für eine Plastikpuppe, der gleichzeitig subversive feministische Konsum- und Herrschaftskritik üben will? Mit seinen eigenen Widersprüchen und Ungereimtheiten spielt
Barbie ganz gezielt, sodass nie ganz klar wird, was ernst gemeint ist und was ironisch. So funktioniert der Film gleichzeitig als eskapistisches Kinovergnügen und als selbstreflexives Produkt der Pop- und Kommerzkultur.
Vom parodistisch auf
2001: Odyssee im Weltraum (
2001: A Space Odyssey, Stanley Kubrick, GB/USA 1968) verweisenden Prolog an steckt
Barbie voller Anspielungen auf die Filmgeschichte, besonders auf Musicalfilme: Als Inspirationen nennt Greta Gerwig Klassiker wie
Der Zauberer von Oz (
The Wizard of Oz, Victor Fleming, USA 1939) und
Du sollst mein Glücksstern sein (
Singin‘ in the Rain, Gene Kelly/Stanley Donen, USA 1952), Jacques Demys
Nouvelle-Vague-Musical
Die Regenschirme von Cherbourg (
Les parapluies de Cherbourg, FR/BRD 1964) oder auch die Kult-Tanzfilme
Saturday Night Fever (John Badham, USA 1977) und
Grease – Schmiere (
Grease, Randal Kleiser, USA 1978). So eignet sich
Barbie im Kunst- oder Musikunterricht als Ausgangspunkt für eine Beschäftigung mit der Geschichte und Ästhetik des Musical-
Genres. Unabhängig davon kann die Farbgestaltung unter die Lupe genommen werden: Wie werden Farben in der Traumwelt Barbieland verwendet und wie in der "realen Welt" des Films? In eigenen filmpraktischen Übungen fertigen die Schüler/-innen kurze Videos oder Fotos an, in denen sie die Stimmung durch den Einsatz von Farben verändern. Im Sozialkunde-, Politik- oder Ethikunterricht bietet der Film Anlass, über Geschlechterrollen zu diskutieren: Kann eine Spielzeugfigur wie Barbie feministisch und ermächtigend sein, oder verbreitet sie unweigerlich Stereotype? Wie positioniert sich der Film zu dieser Frage? Welche Grenzen setzt das Vermarktungsinteresse der Firma Mattel der künstlerischen Gestaltung des Films?
Arbeitsblatt zu Barbie
Fächer: Kunst, Sozialkunde, Ethik, Musik, Englisch ab Klasse 9, ab 14 Jahren
Vor der Filmsichtung:
a) Seht euch die Gestaltung und Präsentation der Barbie-Welt und von Barbie-Produkten im
Webshop der Firma Mattel an. Tragt in Kleingruppen Begriffe zusammen, die euch zu dieser Präsentation einfallen.
b) Stellt eure Ergebnisse in der Klasse vor. Besprecht gemeinsam, welches Bild von Frauen (und Männern) sich daraus ableiten lässt. Welche Eigenschaften werden mit Frauen beziehungsweise Männern demnach verbunden? Welches Aussehen, welche Berufe, Hobbys, Accessoires und welche Farben werden diesen jeweils zugeordnet?
c) Bewertet diese Rollenbilder. Was passiert, wenn Kinder dazu angeregt werden, diese Rollenbilder als Ausgangspunkt für ihr Spiel zu verwenden?
d) Wer von euch hat früher selbst mit Barbie-Puppen gespielt? Was hat euch besonders daran gefallen? Was mochtet ihr nicht? Wie blickt ihr heute auf das Spielzeug zurück?
Während der Filmsichtung:
e) Achtet insbesondere auf die erste
Szene des Films. Wie greift diese Barbie-Klischees auf? Welche Spielzeug-Besonderheiten werden imitiert?
Optional:
f) Welchen Ton setzt der Film zu Beginn? Kennt ihr den Film, auf den die erste Szene anspielt?
Nach der Filmsichtung:
g) Seht euch noch einmal den
Trailer zum Film an.
Gliedert den Trailer in die folgenden Phasen und haltet Anfangs- und Endpunkt in Minuten- und Sekundenangaben fest. Als Wendepunkt wird eine überraschende Wendung im Film beschrieben. Somit tritt etwas ein, womit zuvor nicht zu rechnen war.
1.
Exposition
2. Wendepunkt 1
3. Wendepunkt 2
Haltet in Stichworten fest, wie Barbie und Ken sich in jeder dieser Phasen selbst wahrnehmen und was ihre Rolle auszeichnet.
h) In welcher
Einstellung wird die Krise von Barbie besonders deutlich? Beschreibt, inwiefern ihr Selbstbild hier plötzlich in Frage gestellt wird. Achtet auch darauf, welche Bedeutung in diesem Augenblick die
Farbgestaltung von
Kostüm- und
Szenenbild hat.
i) Emanzipationsgeschichte oder Spielzeugwerbung? Was davon stellt
Barbie dar? Sucht nach Argumenten für beide Sichtweisen. Diskutiert, was für euch überwiegt.
j) Kehrt abschließend noch einmal zum
Barbie-Shop zurück. Betrachtet nun die Produktreihe, die begleitend zum Film produziert wurde ("Barbie – The Movie"). Wie verhält sich diese zur Haltung des Films?
Autor/in: Roberta Huldisch (Filmbesprechung), Stefan Stiletto (Arbeitsblatt), 20.07.2023
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