Inhalt
Die Münsteraner Grundschule Berg Fidel ist eine Modellschule, die alle Kinder des Stadtteils unabhängig von ihren Begabungen sowie Lernmöglichkeiten aufnimmt und sie während der vierjährigen Schulzeit inklusiv unterrichtet. Der Film begleitet vier der Schülerinnen und Schüler im Unterricht, auf dem Schulhof und zu Hause in ihrem familiären Alltag: David, ein "hochbegabter" und sozial verantwortlicher Schüler mit Beeinträchtigungen von Gehör und Sehkraft, kümmert sich liebevoll um seinen jüngeren, besonders förderungsbedürftigen und ebenfalls an der Schule lernenden Bruder Jakob, der am Down-Syndrom leidet. Die etwas ältere Anita, ein Flüchtlingskind aus dem Kosovo, hat Schwierigkeiten mit ihrer Sprache und muss sich zudem mit Problemen um die Aufenthaltsgenehmigung befassen. Und der etwas schwerfällige Lucas lernt nicht so schnell wie die anderen. Nach der Grundschule werden die vier ihre Wege auf einer Montessori-, Real- und auf unterschiedlichen Sonderschulen fortsetzen.
Umsetzung
Der Film entwickelt sich mit dem Fokus auf die unterschiedlichen Kinder, aus deren Perspektive einfühlsam erzählt wird. Die Kamera bewegt sich auf ihrer Augenhöhe, Großaufnahmen und längere Einstellungen fangen die Protagonisten innerhalb der Umgebung ein, Fragen an sie werden meistens zurückhaltend aus dem Off gestellt. Eltern, Lehrer und Schulexperten kommen nicht explizit zu Wort; das ganzheitliche Lernkonzept und die Unterrichtsziele werden nicht reflexiv erläutert, vielmehr vermittelt sich das Besondere dieses schulische Lernens und Lebens atmosphärisch. Im Vordergrund stehen Verhalten, Interaktion und Kommentare der Kinder in charakteristischen Situationen innerhalb wie außerhalb der Schule. Der über seine Charaktere emotional unmittelbar ansprechende Film verzichtet auf strenge Strukturierung, das Ende der gemeinsamen Grundschulzeit markiert den Schlusspunkt. In abschließenden Bildern werden nicht nur die zukünftig sehr unterschiedlichen Schullaufbahnen angezeigt, mit Nachdruck wird auch für das Anliegen inklusiver Bildung geworben.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Berg Fidel ist ein aufmerksamer Film über Kinder, die inklusiv lernen, erzählt aus ihrer Sicht. Wo das schulische Lernen in besonderer, Fächer übergreifender Weise in der Schule selbst zum Gegenstand gemacht wird, dürfte sich beim Ansehen diese Aufmerksamkeit auf Schüler/innen, die in anderen Situationen lernen, übertragen (lassen). Identifikationen sind möglich, Vergleiche mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen bieten sich an. In der pädagogischen Arbeit mit Schülern wird es weniger um eine intellektuell-analytische, sondern mehr um eine emotionale Auseinandersetzung mit den angesprochenen Themen rund ums Lernen gehen. Vergleichend ließe sich Hubertus Siegerts Dokumentarfilm
Klassenleben (D 2005) heranziehen, der ähnliche pädagogische Ideen des Schulalltag einer Berliner Grundschule auf andere Weise verdichtet hat. Kernadressaten für eine "pädagogische" Arbeit sind jedoch insbesondere Zielgruppen in der Lehreraus-/-fortbildung, die vor der Aufgabe stehen, inklusiv zu unterrichten.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Reinhard Middel, 01.05.2012, Vision Kino 2012.