Im Mittelpunkt von Gus Van Sants mittlerweile zwölftem Kinofilm steht Alex, ein Schüler, der seine Freizeit am liebsten im Paranoid Park, einem riesigen Skateboardgelände im Herzen seiner Heimatstadt Portland, Oregon, verbringt. Als auf einem nahe gelegenen Bahngleis die Leiche eines Sicherheitsmannes gefunden wird, gerät Alex in Verdacht, etwas mit dem Todesfall zu tun zu haben. Ob dem so ist, bleibt lange unklar, bis sich schließlich herausstellt, dass Alex unwillentlich tatsächlich den Tod des Mannes verschuldet hat. Eine Tat, die er zunächst nicht gestehen kann und die ihn seiner Umgebung entfremdet.
Paranoid Park ist vieles zugleich: Eine Geschichte über das Erwachsenwerden, eine Parabel über Schuld und Sühne, ein Skaterfilm und nicht zuletzt ein spannendes Kriminalstück, dessen Handlung nicht linear verläuft, sondern ständig auf der Zeitachse vor und zurück springt und durch Alex' Erzählerstimme aus dem Off strukturiert wird. Einige Szenen tauchen mehrmals an verschiedenen Stellen im Film auf und bieten jeweils unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten. Nach und nach erfahren die Zuschauenden, was sich tatsächlich ereignet hat, und können so an Alex Entwicklung teilhaben, die letztlich in eine Selbstkonfrontation mit jenem fürchterlichen Ereignis mündet, das ihn seine Umgebung lange wie in Trance wahrnehmen ließ.
Immer wieder werden die wechselweise auf Super 8 – das Bildformat "klassischer" Skatevideos – und 35mm-Film aufgenommenen, wunderschön anzusehenden Skateszenen von klaustrophobischen Innenraumaufnahmen kontrastiert, in denen Kameramann Christopher Doyle den Bildausschnitt extrem reduziert hat. Oft sieht man Alex abgeschnitten von seiner Umgebung durch Fenster oder Türen. Es ist beeindruckend, wie es Van Sant und Doyle gelungen ist, den seelischen Zustand ihres Protagonisten fast ausschließlich über die visuelle Ebene zu kommunizieren und dabei ein gleichermaßen unprätentiöses wie sensibles Psychogramm eines jungen Menschen anzufertigen, der nicht weiß, wie er sich seiner Umgebung mitteilen soll.
Dabei gehen die beiden sehr weit bei ihrem Versuch, die Empfindungen des Protagonisten durch seine äußere Wahrnehmung der Geschehnisse dem Publikum nahe zu bringen. So sucht die Darstellung des sterbenden Sicherheitsmannes in ihrer Unerträglichkeit ihresgleichen. Diese Bilder bleiben die einzigen Gewaltszenen im gesamten Film und lassen die Zuschauenden ansatzweise verstehen, was es für Alex bedeutet, plötzlich vollkommen isoliert zu sein. Insofern eignet sich der Film auch als Diskussionsgrundlage für den Ethik-, Religions- oder Philosophieunterricht – gerade in Bezug auf die Fragen, inwiefern Alex' Schweigen verständlich ist und ob ein Mensch, der unabsichtlich Schuld auf sich geladen hat, dafür zur Verantwortung gezogen werden kann.
Autor/in: Andreas Resch, 23.04.2008
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